Leitsatz
Auch ohne ausdrückliche Formulierung in dem Testament kann eine Befreiung des Vorerben von den Beschränkungen der Nacherbfolge anzunehmen sein, wenn die Motivation des Erblassers für die Anordnung der Nacherbfolge maßgebend auf der Vorstellung beruhte, eine Vererbung des Familienvermögens an die Ehefrau des Vorerben auszuschließen, es dem Erblasser demgegenüber nicht entscheidend darauf ankam, Immobilienbesitz in seinem vorhandenen konkreten Bestand im Familienbesitz zu erhalten.
OLG Hamm, Beschluss vom 27. April 2010 – I-15 Wx 234 u. 235/09
Sachverhalt
Die Beteiligten sind die beiden Söhne der Erblasserin aus ihrer Ehe mit dem am 23.9.1980 vorverstorbenen M. Die für die Schlusserbfolge nicht gebundene Erblasserin errichtete am 28.4.1992 ein privatschriftliches Testament mit Ergänzung am Folgetag. Die letztwillige Verfügung lautet:
Zitat
"Ich, M2 geb. L, geboren am 17.11.1920 in F setze hiermit meine beiden Söhne als meine Erben ein. "
Mein Sohn M3 geboren 16.5.1954 soll das Wohn- und Geschäftshaus N, G-Straße bekommen, außerdem soll er das Ackergrundstück im Früchtefeld F Parzelle Flur # Nr. xx I, Größe 45,93 a erhalten.
Mein Sohn M4 geboren 24.12.55 soll das Wohn- und Geschäftshaus N-Straße und Wohnhaus H-Straße in O bekommen.
Sollte noch Sparguthaben vorhanden sein, soll es nach Abzug der Beerdigungskosten und sonstigen Kosten an alle meine Enkelkinder gleichmäßig verteilt werden.
M2 geb. L
O, den 28.4.1992
Im Falle des Ablebens meines Sohnes M4 oder dessen leiblichen Erben fällt sein Erbteil an die leiblichen Erben, sprich an seinen Bruder M3 bzw. dessen Kinder zurück.
M2 geb. L
29.4. 1992“
Auf Antrag des Beteiligten zu 2) vom 31.8.2001 erteilte das Amtsgericht am 26.10.2001 einen gemeinschaftlichen Erbschein, der beide Beteiligten ohne Beschränkungen zu je 1/2 Anteil als Erben ausweist. Die Beteiligten schlossen ferner am 2.2.2002 einen Erbauseinandersetzungsvertrag, durch den die im Grundbuch von O Blatt 1... lfd. Nummer 3, 5, 6 und 7 des Bestandsverzeichnisses eingetragenen Grundstücke an den Beteiligten zu 2), das in F belegene Grundstück an den Beteiligten zu 1) übertragen wurden. Das in ihrem Testament erwähnte Grundstück in N hatte die Erblasserin bereits zu ihren Lebzeiten an den Beteiligten zu 1) übertragen.
Der Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 2.12.2005 bei dem Amtsgericht beantragt, den gemeinschaftlichen Erbschein vom 26.10.2001 einzuziehen oder dahin zu korrigieren, dass der Beteiligte zu 2) lediglich Vorerbe geworden sei und als Nacherbe er, der Beteiligte zu 1), ersatzweise seine fünf namentlich benannten Töchter berufen seien. Zur Begründung hat er mit näheren Einzelheiten geltend gemacht, die Erblasserin habe durch ihren Zusatz vom 29.4.1992 für den 1/2 Erbanteil des Beteiligten zu 2) eine Nacherbfolge angeordnet. Die daraus folgende Verfügungsbeschränkung müsse in dem Erbschein noch verlautbart werden.
Der Beteiligte zu 2) ist dem Einziehungsantrag entgegengetreten. Er hat mit näherer Begründung den Standpunkt vertreten, eine Nacherbfolge sei nicht angeordnet, weil die in dem Testament erwähnten Grundstücke den damit bedachten Beteiligten jeweils als Vorausvermächtnis im Sinne des § 2150 BGB zugewandt seien. Jedenfalls müsse das Testament dahin ausgelegt werden, dass die Erblasserin ihn, den Beteiligten zu 2), von den Beschränkungen der Nacherbfolge im Sinne des § 2136 BGB habe befreien wollen.
Das Amtsgericht hat nach Vernehmung von Zeugen durch Beschluss vom 15.10.2008 den gemeinschaftlichen Erbschein vom 26.10.2001 als unrichtig eingezogen. Durch gesonderten Beschluss vom selben Tage hat das Amtsgericht einen Vorbescheid erlassen, durch den es die Erteilung eines Erbscheins angekündigt hat, der die Beteiligten zu jeweils 1/2 Anteil als Erben ausweist und für den Erbanteil des Beteiligten zu 2) folgende Verfügungsbeschränkung ausweist: Es ist Nacherbfolge angeordnet, die mit dem Tode des Beteiligten zu 2) und – falls vorhanden – dessen leiblichen Erben eintritt. Nacherbe ist der Beteiligte zu 1), ersatzweise dessen Kinder. Der Vorerbe ist zur freien Verfügung über den Nachlass nur hinsichtlich des Wohn- und Geschäftshauses N-Straße in O berechtigt.
Gegen diesen Beschlüsse haben beide Beteiligten Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren jeweiligen Standpunkt zur Auslegung des Testaments der Erblasserin weiter verfolgt haben. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 4.8.2009 den Vorbescheid des Amtsgerichts aufgehoben und die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den die Einziehung des Erbscheins anordnenden Beschluss zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richten sich die weiteren Beschwerden beider Beteiligten, die sie jeweils mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 20. und 27.8.2009 bei dem Landgericht bzw. bei dem Oberlandesgericht eingelegt haben.
Aus den Gründen
(...) In der Sache sind beide Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
(...) Die Kammer hat mit der nachstehend näher b...