Einführung

Für den im Erbrecht tätigen Praktiker gehört das sog. "Überschuldetentestament" gerade in der heutigen Zeit zum Standardrepertoire: Unter den vom Erblasser (regelmäßig den Eltern) ins Auge genommenen Erben (regelmäßig den Kindern) befindet sich auch ein zumindest leicht graues Schaf. Bei diesem Erben droht entweder ein Insolvenzverfahren oder dieses ist bereits im Gange. Gleichwohl wollen die Erblasser auch diesen zum Erben einsetzen. Verhindert werden soll aber der Zugriff der Gläubiger (Gestaltungsziel 1). Gleichzeitig sollen nach Möglichkeit alle Beschränkungen, die zur Erreichung dieses Ziels angeordnet wurden, wegfallen, sobald die Insolvenzgefahr gebannt ist (namentlich das [Verbraucher-]Insolvenzverfahren und die Wohlverhaltensperiode beendet sind) (Gestaltungsziel 2). Ob und wie dieses zweite Ziel erreicht werden kann, ist aber noch nicht vollständig geklärt. Einen neuen Denkansatz hierzu möchte der vorliegende Beitrag liefern.

I. Standardgestaltungen beim Überschuldetentestament

Regelmäßig geht man beim Überschuldetentestament so vor, dass man den überschuldeten Erben lediglich zum (nicht befreiten) Vorerben einsetzt und gleichzeitig Dauertestamentsvollstreckung verbunden mit einer Verwaltungsanweisung nach § 2216 BGB anordnet[1]. Ein Grundmuster eines typischen Überschuldetentestaments sähe in etwa so aus:[2]

 

Muster

A.

Zu meinen Erben berufe ich meine Tochter A und meinen Sohn B, untereinander zu gleichen Teilen, also zu je 1/2-Anteil.

B.

Mein Sohn B ist jedoch nur nicht befreiter Vorerbe. Nacherbe ist mein Enkelsohn C, ersatzweise … Der Nacherbfall tritt ein mit dem Tod des Vorerben. Das Nacherbenanwartschaftsrecht ist nicht vererblich und ohne Zustimmung des Vorerben auch nicht übertragbar.

C.

Ferner ordne ich hinsichtlich der gesamten Nachlassbeteiligung meines Sohnes B Dauertestamentsvollstreckung an. Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist es, die Nachlassbeteiligung meines Sohne B zu verwalten und meinem Sohn B nur solche Erträge aus der Nachlassbeteiligung herauszugeben, die nicht dem Zugriff von Gläubigern oder dem Insolvenzverwaltern unterliegen und die nicht zur Minderung von Sozialleistungsansprüchen führen. Zum Testamentsvollstrecker berufe ich ...

Eine derartige Gestaltung ist nach der hM nicht sittenwidrig, weil die Wahl einer derartigen Konstruktion innerhalb der grundrechtlich geschützten Testierfreiheit des Erblassers liegt.[3] Auch das LSG Baden-Württemberg hat es in der Entscheidung vom 9.10.2007 nicht als sittenwidrig angesehen, wenn ein Erblasser Dauertestamentsvollstreckung anordnet und damit den Zugriff des Sozialhilfeträgers verhindert.[4]

[1] Umfassend zum Überschuldetentestament: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Kautelarpraxis, 2006, S. 321 – 335; Formulierungsmuster bei: Kleensang, in: Brambring/Mutter, Becksches Formularbuch Erbrecht, 2. Aufl. 2009, F II 2; zur parallelen Gestaltung eines Behindertentestaments: Tersteegen, in Brambring,/Mutter, Becksches Formularbuch Erbrecht, F I 2.
[2] Für die Gestaltung im Detail vergleiche die vorstehend zitierte Literatur.
[3] Tersteegen, ZEV 2008, 121, 124; Litzenburger, ZEV 2009, 278, 281; Limmer, in: Würzburger Notarhandbuch, 2. Aufl. 2010, Teil 4 Kap. 1 Rn 422.
[4] LSG Baden-Württemberg, 9.10.2007, ZEV 2008, 147 = RNotZ 2008, 115 = NotBZ 2008, 82.

II. Zielerreichung durch Standardgestaltung

Die soeben vorgestellte Standardgestaltung erreicht das Gestaltungsziel 1: Der Zugriff von Gläubigern und des Insolvenzverwalters wird durch die Kombination von Dauertestamentsvollstreckung und Vor- und Nacherbfolge effektiv verhindert.

1. Bedeutung der Dauertestamentsvollstreckung

In der Gestaltungsliteratur oftmals nicht deutlich genug herausgestellt wird aber, dass entscheidende Bedeutung insofern der Dauertestamentsvollstreckung zukommt. Die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge stellt im Ergebnis nur die Abrundung des Schutzkonzepts dar. So hat auch das LSG Baden-Württemberg in der bereits zitierten Entscheidung vom 9.10.2007[5] dargestellt, dass gerade die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung den Schutz vor dem Zugriff von Gläubigern (dort dem Sozialhilfeträger) begründet.[6] Gem. § 2211 Abs. 1 BGB kann der Erbe über einen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstand nicht verfügen. Ergänzend bestimmt § 2214 BGB, dass sich die Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten können. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erben wirkt § 2214 BGB auch gegenüber dem Insolvenzverwalter (§ 36 Abs. 1 InsO). Der vom Testamentsvollstrecker verwaltete Nachlass fällt nicht in die Insolvenzmasse.[7] Das der Testamentsvollstreckung unterliegende Vermögen kann somit für den Zeitraum, in dem die Testamentsvollstreckung angeordnet ist, nicht vom Insolvenzverwalter verwertet werden.[8] Das zentrale schützende Element ist insofern die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung.

[5] LSG Baden-Württemberg, 9.10.2007, ZEV 2008, 147 = RNotZ 2008, 115 = NotBZ 2008, 82.
[6] Dazu auch: Tersteegen, ZEV 2008, 121.
[7] Statt aller: Reul/...

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