Leitsatz
Eine gegenständlich beschränkte "Nacherbfolge" kann als ein auf den Tod des letztversterbenden Erben befristetes Vermächtnis auszulegen sein.
OLG Hamm, Beschluss vom 11. Mai 2015 – I-15 W 138/15
Sachverhalt
I. Die am ##.##.2014 verstorbene Erblasserin war verheiratet mit F L, der am ##.##.1993 vorverstorben war. Aus ihrer Ehe ist die Tochter I1 hervorgegangen, die am ##.##.2014 nachverstorben ist. Der Beteiligte ist der Ehemann der Tochter, also der Schwiegersohn der Erblasserin. Am 1.2.2004 errichtete die Erblasserin ein privatschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament, das folgende letztwillige Verfügungen enthält:
"Im Falle meines Todes sollen meine Tochter I1 G ... und mein Schwiegersohn G ... die gemeinsamen alleinigen Erben meines Hauses und Grundstückes in ##### I ... sowie meines gesamten Privatvermögens sein. "
Nach dem Tode des Letztversterbenden der beiden Vorgenannten bestimme ich hiermit, dass mein Neffe U ... der alleinige Erbe des Hauses und Grundstückes B ## sein soll.“
Der Beteiligte beantragte am 3.12.2014 zur Niederschrift des Notars L (UR-Nr. ###/2014) die Erteilung eines "gemeinschaftlichen Erbscheins".
Mit Beschluss vom 5.3.2015 hat das Amtsgericht "die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet" und noch am selben Tag einen Erbschein erteilt, mit folgendem Inhalt:
Zitat
" Alleinerbe der am ... verstorbenen L ... ist: "
G, geboren am ..., wohnhaft: ...
Hinsichtlich des Hausgrundstücks B ## in ##### I ist Vor- und Nacherbschaft angeordnet.
Vorerbe ist G ...
Nacherbe ist U ...“
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 9.3.2015, mit der er beantragt, dass die Erblasserin von ihrer Tochter und ihm zu je ½ Anteil beerbt worden ist. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab mit der Begründung, dass die Tochter der Erblasserin diese nicht beerbt haben könne, weil sie vor der Erblasserin verstorben sei.
Aus den Gründen
II. Da der Erbschein bereits erteilt ist, ist die Beschwerde nur noch mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins zulässig, § 352 Abs. 3 FamFG.
Die Beschwerde ist auch begründet, und zwar schon deshalb, weil das Nachlassgericht einen Erbschein abweichend vom Antrag des Beteiligten erteilt hat. Das Nachlassgericht darf keinen Erbschein ohne Antrag oder mit einem anderen als dem beantragten Inhalt erteilen (BayObLGZ 1965, 457/464; NJW-RR 2003, 297 = FamRZ 2003, 85; OLG Köln FGPrax 2010, 89; Keidel/Zimmermann, 18. Aufl., § 352 Rn 106, 133). Das Gericht muss allerdings dem Antragsteller, wenn der Erbschein mit dem beantragten Inhalt nicht erteilt werden kann, unter Hinweis auf die Rechtslage Gelegenheit zu einer Änderung des Antrags geben, wenn ein solcher nach Sachlage in Betracht kommt. Diese Pflicht des Gerichts ergibt sich aus § 28 FamFG.
Zwar ist der Erbscheinsantrag in der notariellen Verhandlung vom 3.12.2014 nicht mit abschließender Deutlichkeit formuliert worden. Aus dem Zusammenhang der Begründung wird aber jedenfalls hinreichend klar, dass die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt werden sollte, in dem der Antragsteller sowie seine nachverstorbene Ehefrau auf der Grundlage des Testaments vom 1.2.2004 als Miterben (der Sache nach zu Quoten von jeweils ½ ) ausgewiesen werden sollte. Ei-nen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist, hat der Beteiligte zu keinem Zeitpunkt beantragt. Der Senat kann nicht verstehen, warum das Amtsgericht der Beschwerde des Beteiligten, in der dieser Punkt ausdrücklich gerügt wird, nicht selbst abgeholfen hat (§ 68 Abs. 1 FamFG).
Der Senat musste deshalb anstelle des Amtsgerichts die Einziehung des erteilten Erbscheins gem. § 2361 BGB anordnen. Demgegenüber kann der Senat über den Antrag des Beteiligten auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, dessen Inhalt er mit seiner Beschwerde lediglich klargestellt hat, sachlich nicht entscheiden. Denn über diesen Antrag hat das Amtsgericht selbst noch keine Sachentscheidung getroffen, die als Verfahrensgegenstand dem Beschwerdegericht zur sachlichen Überprüfung anfallen könnte.
Der Senat beschränkt sich deshalb insoweit auf folgende nicht bindende Hinweise:
III. Die Erblasserin hat in ihrem privatschriftlichen Testament vom 1.2.2004 die Zuwendung an den Neffen X gegenständlich auf das dort genannte Grundstück beschränkt. Nach dem gegenwärtigen Sachstand spricht nichts dafür, dass sie mit dieser Formulierung den gesamten Nachlass erfassen wollte, zumal sie in dem vorangehenden Absatz als Gegenstand der Erbeinsetzung des Beteiligten und seiner Ehefrau neben dem genannten Grundstück ausdrücklich auch ihr "gesamtes Privatvermögen" erwähnt hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Tochter und der Schwiegersohn hinsichtlich des sonstigen Vermögens, bspw. also Barvermögens, Beschränkungen zugunsten des Neffen unterliegen, insbesondere also bei Annahme einer den Gesamtnachlass erfassenden Nacherbfolge diese Vermögenswerte nicht für sich sollten verbrauchen dürfen, sondern sich auf die Nutzung von Erträgen sollten beschränkten müssen (vgl. § 211...