Diese vorschnellen Ausschlagungen, als "Flucht in die Ausschlagung", wären bei ausreichender Kenntnis vom Nachlassbestand nicht erklärt worden. Sie sind (auch) auf das Dilemma des vorläufigen Erben zurückzuführen, das in der Informationsbeschaffung liegt:
Nach geltendem Recht hat der Erbe nur beschränkte Möglichkeiten, Informationen über die Beschaffenheit des Nachlasses einzuholen, sofern er nicht gleich das Erbe annehmen will. Hat der Erbe bspw. mangels Nähebeziehung zum Erblasser keinen Überblick über Aktiva und Passiva des Nachlasses, so ist er regelmäßig auf Auskünfte Dritter angewiesen. Das Dilemma für den Erben dabei ist, dass viele Auskünfte nur mit einer Erbenlegitimation zu erlangen sind. Trotz der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass im Einzelfall auch eröffnete privatschriftliche Testamente zum Erbennachweis ausreichen können, ist die häufigste Form der Erbenlegitimation angesichts der geringen Verbreitung von letztwilligen Verfügungen in notarieller Form, der Erbschein. Die Beantragung eines solchen wird aber einhellig schon als Annahme der Erbschaft gewertet, obwohl die Auskunftseinholung bzgl. der Nachlassgegenstände gerade nicht als Annahmehandlung qualifiziert wird. Dadurch wird der Erbe faktisch gezwungen – sofern er das Erbe annehmen möchte – buchstäblich "ins kalte Wasser zu springen" und sich nachher von den Auskünften seiner Gläubiger und/oder Schuldner überraschen zu lassen. Dies wäre bei einer einfach zu erreichenden Haftungsbeschränkung weniger schwerwiegend. Wenn aber die persönliche Haftung nur unter erheblichen Schwierigkeiten begrenzt werden kann, so stellt sich die Frage der Haftung für den Erben de facto oftmals schon bei der Entscheidung über die Annahme bzw. die Ausschlagung einer Erbschaft.
Bei der derzeitigen komplizierten und deshalb auch gefährlichen Regelung wird der Erbe so zur Ausschlagung gedrängt: Nur dann kann er seine persönliche Haftung sicher ausschließen und die mit der Verwaltung des Nachlasses verbundenen Belastungen vermeiden. Mag dieses Vorgehen für den betroffenen Erben von Vorteil sein, so löst es das allgemeine Problem der Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten jedoch nicht. Vielmehr können hier ganze Ausschlagungsketten entstehen, bis der Fiskus mangels anderer (williger) Erben zum Zwangserben wird (§§ 1936, 1942 Abs. 2 BGB). Dieses in der Praxis in den letzten Jahren verstärkt auftretende Phänomen ist nicht nur für den Fiskus trotz gesetzlicher Haftungsbeschränkung – wegen entsprechender Liquidationskosten – häufig ein Verlustgeschäft, sondern auch ein deutliches Zeichen für die mangelnde Praktikabilität des derzeitigen Haftungssystems. Aber auch ohne die Fiskalerbschaft können Ausschlagungen für die Nachlassgläubiger aufgrund deren rückwirkender Fiktion zu Problemen führen. Bis ein endgültiger Erbe gefunden wurde, können sich die Nachlassgläubiger nicht so einfach aus dem Nachlass befriedigen (§ 1958 BGB). Darüber hinaus besteht gerade in dieser Zeitspanne eine erhöhte Gefahr, dass der vorläufige Erbe vor der Ausschlagung noch Wertgegenstände beiseiteschafft und somit die Haftungsmasse verringert. Da i.d.R. eine amtliche Nachlasssichtung erst beim endgültigen Erben erfolgt, sind solche Unterschlagungen besonders schwer zu entdecken. Daher besteht auch das Interesse des Rechtsverkehrs insgesamt, Ausschlagungen oder Anfechtungen von Annahmeerklärungen tunlichst zu vermeiden. Ein Faktor, der dieses Problem verringern kann, ist die anfängliche oder auch eine für den Erben einfach erreichbare nachträgliche Haftungsbeschränkung. Wenn der Erbe eine persönliche Haftung nicht zu fürchten braucht, so wird er die Erbschaft auch eher annehmen. Der zweite wichtige Faktor ist die Informationsgrundlage, auf welcher der Erbe seine Entscheidung trifft. Je mehr Informationen er hat, desto eher wird er eine konsistente Entscheidung fällen können bzw. desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er wegen eines Irrtums über die Beschaffenheit des Nachlasses die Annahme später einmal anficht.