I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin ihres im März 2009 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte u.a. ein Grundstück mit einem 1951 erbauten Einfamilienhaus. Die Klägerin hatte dieses Haus gemeinsam mit ihrem Vater bewohnt und wohnte zunächst weiterhin im Obergeschoss. Demzufolge berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt –FA) bei der Erbschaftsteuerfestsetzung die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
Die Klägerin zog am 4.8.2016 aus. Am 5.8.2016 wurde das Haus abgerissen.
Im Juni 2018 erfuhr das FA, dass die Klägerin nicht mehr unter der bisherigen Anschrift gemeldet war. Die Klägerin teilte mit, das Haus sei aufgrund vieler Mängel nicht mehr bewohnbar gewesen. Sie habe auf einem Nachbargrundstück eine Wohnung angemietet. Mit einem auf § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützten Bescheid vom 20.7.2018 setzte das FA die Erbschaftsteuer ohne die Steuerbefreiung fest.
Mit Einspruch und Klage machte die Klägerin geltend, sie sei aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert gewesen. Zum einen sei das Haus wegen seines baulichen Zustands überhaupt nicht mehr nutzbar gewesen. Zum anderen habe sie sich angesichts ihres Gesundheitszustands (Bandscheibenvorfälle, ein Hüftleiden, das wegen einer Angststörung nicht operabel sei) kaum mehr allein in dem Haus bewegen können und sei daher in eine Erdgeschosswohnung umgezogen. Das FA sah die gesundheitlichen Probleme nicht als nachgewiesen an und war zudem der Auffassung, diese hätte eine Haushaltsführung nicht schlechthin ausgeschlossen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Zwingende Gründe, die einer Selbstnutzung des Familienheims entgegenstehen, müssen objektive Gründe sein, die das selbstständige Führen eines Haushalts in dem erworbenen Familienheim unmöglich machen, etwa Pflegebedürftigkeit oder Tod. Gebäudemängel und eine etwaige Unwirtschaftlichkeit der Sanierung genügten nicht. Etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen, die die Klägerin zunächst auch nicht als Grund ihres Auszugs benannt habe, hätten die Klägerin nicht gehindert, mit Hilfe eines Bekannten auch weiterhin das Obergeschoss zu nutzen. Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2021, 288 veröffentlicht.
Mit der Revision macht die Klägerin sinngemäß eine Verletzung von § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG geltend. Der Gesetzgeber habe u.a. Pflegebedürftigkeit und Tod erfassen wollen. Darin dürften sich zwingende Gründe aber nicht erschöpfen. Würde aufgrund der Möglichkeit, Pflege zu Hause in Anspruch nehmen zu können, die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG nicht zur Anwendung kommen, wäre dies ein inkonsistentes Ergebnis. Ihr Gesundheitszustand habe sie ohne fremde Hilfe in der Wohnung gefangen gehalten und komme einer Pflegebedürftigkeit gleich. Schließlich müsse auch eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit berücksichtigt werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung, den Bescheid vom 20.7.2018 sowie die Einspruchsentscheidung vom 10.10.2018 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet mit der Maßgabe, dass die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO). Der Senat vermag auf Grundlage der Feststellungen des FG nicht abschließend zu entscheiden, ob die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG rückwirkend weggefallen ist.
1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG bleibt steuerfrei u.a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S.d. § 3181 Abs. 1 Nr. 1-5 des Bewertungsgesetzes durch Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200m2 nicht übersteigt. Dies gilt vorbehaltlich der Einschränkungen in § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 2-4 ErbStG (zur Grundstücksdefinition BFG, Urt v. 23.2.2021 – II E 29/19, BFHE 272, 497; zur Bestimmung zur Selbstnutzung BFH, Urt. v. 6.5.2021 – II R 46/19, BFHE 273, 554).
a) Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG fällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert (sog. Nachversteuerungstatbestand, vgl. BFH, Urt. v. 11.7.2019 – II R 38/16, BFHE 265, 437, BStBl II 2020, 314, Rn 11).
b) Die Steuerbefreiungsvorschrift ist eng auszulegen. Damit begegnet sie keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BFH, Urt. v. 29.11.2017 – II R 14/16, BFHE 260, 372, BStBl II 2018, 362, Rn 27 m.w.N.). Entsp...