Leitsatz
1. § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB ist jedenfalls dann nicht analog anwendbar, wenn der Erblasser und der Bedachte im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung nicht verheiratet oder verlobt waren und auch kein hinreichender Bezug der Verfügung zu einer späteren Eheschließung vorliegt.
2. Die nichtehelichen Lebensgefährten unterlassen eine rechtliche Regelung ihrer Beziehung bewusst und verknüpfen daher in der Regel mit dem Ende ihrer Beziehung gerade keine Rechtsfolgen. Sie gehen daher auch nicht von einer "automatischen" Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten ihres Lebensgefährten aus. Die Auslegungsregel kann deshalb auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie zum allgemeinen Prinzip für letztwillige Zuwendungen an Partner einer eheähnlichen bzw. nichtehelichen Lebensgemeinschaft erhoben werden.
BGH, Beschl. v. 22.5.2024 – IV ZB 26/23
1 Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 in einem mit der Erblasserin mehrere Jahre vor ihrer Eheschließung geschlossenen Erbvertrag aufgrund der späteren Scheidung unwirksam geworden ist.
Der Beteiligte zu 2 ist Sohn der Erblasserin und ihr einziges Kind. Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 schlossen am 29.5.1995, als sie noch nicht miteinander verheiratet waren, einen als "Erbvertrag und Erwerbsrecht" bezeichneten notariellen Vertrag. Sie setzten sich darin – unter II. und III. – mit wechselseitiger Bindungswirkung gegenseitig zu Alleinerben ein. Als Erben des Längstlebenden bestimmten sie den Beteiligten zu 2 und die beiden Kinder des Beteiligten zu 1. Ferner vereinbarten sie – unter "VI. Erwerbsrecht" –, dass der Beteiligte zu 1 ein von der Erblasserin zu Alleineigentum erworbenes Grundstück u.a. dann zur Hälfte erwerben könne, sobald die zwischen ihnen bestehende Lebensgemeinschaft ende, eine etwa nachfolgende Ehe zwischen ihnen geschieden werde oder im Falle einer Eheschließung seit dem Zeitraum des Getrenntlebens mehr als drei Monate verstrichen seien.
Am 16.12.1999 schlossen die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 die Ehe, die durch Beschl. v. 11.1.2021 rechtskräftig geschieden wurde. Im Zuge des Ehescheidungsverfahrens hatten die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 über die Aufhebung des Erbvertrags verhandelt. Zu Lebzeiten der Erblasserin kam es jedoch nicht zur Unterzeichnung einer entsprechenden notariellen Urkunde.
Das AG hat – soweit für die Rechtsbeschwerde von Interesse – die für den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Das OLG hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 2 mit Beschl. v. 3.8.2023 zurückgewiesen. Zur Durchführung der vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung beantragt der Beteiligte zu 2 die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe.
II.
Die beantragte Verfahrenskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Erbfolge richte sich nach dem Erbvertrag vom 29.5.1995, in dem sich die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 wechselseitig mit erbvertraglicher Bindung zu alleinigen und unbeschränkten Erben eingesetzt hätten. Diese Einsetzung sei nicht deshalb unwirksam geworden, weil die Vertragsparteien später geheiratet hätten und die Ehe wiederum vor dem Tod der Erblasserin geschieden worden sei. Die §§ 2279, 2077 BGB seien – anders als in einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1961 (Urt. v. 3.5.1961 – V ZR 154/59, FamRZ 1961, 364) angenommen – nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht anwendbar, wenn der Erblasser und der Bedachte zur Zeit der Verfügung noch nicht miteinander verheiratet gewesen seien, sondern erst danach geheiratet hätten und die Ehe vor Eintritt des Erbfalls wieder geschieden worden sei, und die Bedenkung auch nicht im Hinblick auf eine bevorstehende Ehe erfolgt sei. Für ein Verlöbnis der Erblasserin und des Beteiligten zu 1 im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags gebe es keine Anhaltspunkte. Das werde durch die Eheschließung erst mehr als viereinhalb Jahre nach dem Abschluss des Erbvertrags bestätigt. Dem Erbvertrag könnten auch keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass es der übereinstimmende Wille der Erblasserin und des Beteiligten zu 1 im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags gewesen sei, die Einsetzung als Alleinerbe des Erstversterbenden solle entfallen, wenn die Vertragsparteien später heirateten und ihre Ehe dann wieder geschieden würde. Ein solcher Wille sei auch nicht den im Zuge des Scheidungsverfahrens entworfenen Urkunden zu entnehmen. Ein zuletzt möglicherweise abweichender Wille der Erblasserin führe ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Erbeinsetzung.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
Der Beteiligte zu 1 ist Alleinerbe der Erblasserin aufgrund des Erbvertr...