Leitsatz
1. Ist nach dem gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Erbstatut die gesetzliche Erbfolge maßgeblich, nach der ein Abkömmling des Erblassers unter Verstoß gegen den deutschen ordre public von der Erbfolge ausgeschlossen ist, so ist die vom Erblasser in einem formgültigen Testament getroffene Anordnung, diesen Abkömmling von der Erbfolge auszuschließen, bei der Rechtsanwendung gemäß Art. 6 EGBGB zu beachten. Dies kann, bei entsprechend eindeutiger Willensäußerung des Erblassers, dazu führen, dass der Verstoß gegen den Ordre public durch Gewährung des nach deutschem Recht unentziehbaren Pflichtteilsanspruchs oder eines im ausländischen Recht vorgesehenen äquivalenten Ausgleichsanspruchs geheilt wird.
2. In einem Erbschein ist dieser Anspruch nicht auszuweisen.
KG Berlin, Urteil vom 26. Februar 2008 – 1 W 59/07
Sachverhalt
Der Erblasser war ägyptischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens. Am 27. Februar 1958 erklärte er in einem Vergleich vor dem Stadtbezirksgericht Mitte, er erkenne die Vaterschaft für den Beteiligten zu 2) an und verpflichte sich, an ihn Unterhalt zu zahlen. Aus der einzigen Ehe des Erblassers ist als einziges Kind die Beteiligte zu 1) hervorgegangen, die muslimischen Glaubens ist. Die Ehefrau ist vorverstorben. Der Beteiligte zu 3) ist nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten zu 1) und 2) der Bruder des Erblassers.
Der Erblasser errichtete am 20. Februar 1991 ein in deutscher und arabischer Sprache abgefasstes, eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, in dem er die Beteiligte zu 1) als seine Alleinerbin einsetzte.
Auf den Antrag des Beteiligten zu 2) hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. Februar 2005 die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Teilerbscheins angekündigt, der den Beteiligten zu 2) in Anwendung ägyptischen sowie gemäß Art. 6 EGBGB deutschen Rechts für den in Deutschland befindlichen Nachlass als Miterbe zu 1/3 ausweist. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Testament sei als Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) zu 1/3 zu werten; die verbleibenden 2/3 entfielen zu gleichen Teilen auf die Beteiligten zu 1) und 2), weil die Ungleichbehandlung weiblicher und männlicher Verwandter ebenso wie die Ungleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Abkömmlinge gegen den deutschen Ordre public verstoße. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Am 16. Februar 2007 hat das Amtsgericht den angekündigten Erbschein erteilt. Die Beteiligte zu 1) hat mitgeteilt, sie verfolge die weitere Beschwerde mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins weiter.
Aus den Gründen
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27 ff FGG). Wird der angekündigte Erbschein nach der zum Vorbescheid ergangenen Beschwerdeentscheidung erteilt, kann die weitere Beschwerde mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins fortgeführt werden (Senat, Rpfleger 2005, 669 ff; Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn 51). Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1) nach §§ 20 Abs.1, 29 Abs.4 FGG ergibt sich schon aus dem Umstand, dass ihre Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist.
2. Die weitere Beschwerde ist begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einem Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG iVm § 546 ZPO). Der erteilte Erbschein ist unrichtig und daher einzuziehen, § 2361 BGB.
a) Rechtlich zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) zulässig ist. Die Beteiligte zu 1) ist iSv § 20 Abs. 1 FGG beschwerdeberechtigt, da sie das im angekündigten Erbschein bezeugte Erbrecht für sich selbst beansprucht. Aus ihren Schriftsätzen vom 16. Februar 2005 und 14. Juli 2006 ergibt sich, dass sie vorrangig geltend macht, testamentarische Alleinerbin zu sein, und sich hinsichtlich der gesetzlichen Erbfolge darauf beruft, der Beteiligte zu 3) sei anstelle des Beteiligten zu 2) Miterbe.
b) Das Landgericht hat auch ohne Rechtsverletzung angenommen, dass sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen hier grundsätzlich nach dem ägyptischem Recht richtet, Art. 25 Abs.1 EGBGB iVm Art.17 Abs. 1 des ägyptischen Zivilgesetzbuchs (wiedergegeben bei Ferid/Scholz, Internationales Erbrecht, Stand Dezember 2007, Ägypten).
Zutreffend hat das Landgericht weiter angenommen, dass sich die Erbfolge im ägyptischen Recht für Muslime – wie hier – zwingend nach dem gesetzlichen – islamischen – Recht richtet und eine gewillkürte Erbeinsetzung nicht stattfindet. Maßgebend ist das ägyptische Gesetz Nr. 77/1943 über die Erbfolge (im Folgenden: ägErbG, wiedergegeben bei Ferid/Scholz, aaO); die in Art. 7 ägErbG genannten Berufungsgründe sind abschließend (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2005, 1705, 1707; Ferid/Scholz, aaO, Rn 21, 34, 79; Pattar, Islamisch inspiriertes Erbrecht und deutscher Ordre public, S. 251). Als Berufungsgrund kommt danach die Verwandtschaft in Betracht, die nach Art. 7 S.3 ägErbG die Erbfolge aufgrund des koranischen Erbanteils (Art. 8 ff ägErbG) bzw. aufgrund der agnatischen Abstammung (Art. 16 ff ägErbG) begründet.
c) Au...