Prof. Dr. Werner Zimmermann
Fall 3
Im Jahre 2005 wurde Nachlasspflegschaft angeordnet; der Nachlass war schuldenfrei und bestand aus Guthaben und Wertpapieren im Wert von 5 Millionen EUR sowie einer Immobilie. Im Banktresor fand der Nachlasspfleger Schmuck und 200 Krügerrand zu je einer Unze. Er verkaufte die Münzen im Jahre 2005 sogleich (zum Preis von je 350 EUR) an die Bank und legte den Erlös als Termingeld an. 2010 waren schließlich 32 Erben ermittelt, die Pflegschaft wurde aufgehoben. Da ein Krügerrand mittlerweile zu 930 EUR an die Bank verkauft werden konnte, verlangten die Erben vom Nachlasspfleger 116.000 EUR Schadensersatz. Der Pfleger wandte ein, er habe Safegebühren und Versicherungsprämien sparen wollen sowie dem Nachlass Zinseinnahmen verschaffen wollen, ferner infolge Beratung durch die Bank mit einem Rückgang des Goldpreises gerechnet.
Anspruchsgrundlage für die Haftung des Nachlasspflegers sind die §§ 1915, 1833 BGB. Ein Fehler sowie ein Verschulden des Pflegers liegen vor. Der Nachlasspfleger hat grundsätzlich den Nachlass zu sichern und zu verwalten, nicht zu veräußern. Das ergibt sich aus § 1960 BGB, wo von Sicherung des Nachlasses die Rede ist, nicht vom Verkauf; es folgt auch aus dem im Bestellungsbeschluss dem Nachlasspfleger zugewiesenen Aufgabenkreis. In erster Linie soll der Nachlass dem Erben in seinem ursprünglichen Zustand erhalten werden. Die häufig anzutreffende Sachbearbeitung, den Nachlass baldigst vollständig zu veräußern bzw. zu entsorgen, ist deshalb sehr bedenklich.
Der Nachlasspfleger kann allerdings einzelne oder alle Nachlassgegenstände veräußern oder entsorgen, wenn der Zweck der Pflegschaft es notwendig erscheinen lässt. Zur Veräußerung braucht er keine Genehmigung des Nachlassgerichts (ausgenommen Grundstücke, Wertpapiere usw., §§ 1812 ff, 1821, 1822 BGB). Es steht im Ermessen des Nachlasspflegers, ob er hierbei freihändigen Verkauf oder öffentliche Versteigerung wählt. Unter diesen Voraussetzungen ist auch die Entsorgung, dh der Transport wertloser Nachlassgegenstände (Möbel, Hausrat, Kleidung, Abfall usw.) zur Müllkippe, zulässig.
Im Außenverhältnis ist die Vertretungsmacht des Nachlasspflegers nicht von der Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit seiner Handlungen abhängig. Die ankaufende Bank muss deshalb die Beweggründe für das Geschäft nicht nachprüfen, falls der Wortlaut des Bestellungsbeschlusses zu Zweifeln keinen Anlass gibt. Im Innenverhältnis zum Erben, also zur Vermeidung von Haftung, darf der Nachlasspfleger andere Vermögensstücke des Erblassers als Guthaben und Geld, also Grundstücke, Wohnungseinrichtung, Bücher, Bilder, Schmuck usw .nur verwerten, wenn es zur Verwaltung erforderlich ist, z. B. zur Befriedigung von Gläubigern, Bezahlung der Nachlasspflegervergütung oder zur Vermeidung von Kosten. Grundstücke und Wertsachen darf der Nachlasspfleger nicht ohne Weiteres versilbern und das Erlös verzinslich und mündelsicher anlegen, da der Nachlass den Erben oder dem Fiskus auszuhändigen sein wird. Beim Mobiliar kommt es darauf an, wie hoch die Wohnungsmiete ist und was die Gegenstände wert sind; wenn die Kosten einer Verwahrung (Wohnungsmietzahlung, Lagerhauskosten) in keinem vernünftigen Verhältnis zum Wert des Nachlasses stehen und die Erben demnächst nicht ermittelt sind, ist die Wohnungsauflösung in der Regel gerechtfertigt.
Wendet man diese Grundsätze auf den Verkauf der Goldmünzen an, dann war der Verkauf nicht erforderlich, da die Kosten für Banksafe und Versicherung gering und angesichts des großen Vermögens verhältnismäßig waren, auch kein Geld zur Schuldentilgung beschafft werden musste. Der Nachlasspfleger hat gegen seine Sicherungspflicht verstoßen. Der Rat der Bank, getrieben von der zu erwartenden Provision, entlastet ihn nicht.