Leitsatz
Das Kreditinstitut genügt seiner Pflicht, im Erbfall ihres Kunden die erbrechtliche Verfügungsberechtigung zu prüfen, wenn ihr ein notariell beurkundetes Testament des Erblassers vorgelegt wird; dies gilt auch dann, wenn das Testament auf einen Erbvertrag Bezug nimmt, der eine abweichende Erbeinsetzung vorsieht, die Unwirksamkeit der testamentarischen Verfügung wegen dieser Abweichung jedoch erst im Wege einer Vertragsauslegung erkennbar wird; dies gilt insbesondere dann, wenn sowohl der Erbvertrag als auch das Testament vom selben Notar beurkundet wurden und das Kreditinstitut auf dessen Prüfung der Wirksamkeit der testamentarischen Verfügung vertraut.
OLG Frankfurt, Urteil vom 10. Juni 2011 – 19 U 13/11
Sachverhalt
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Freigabe von in einem Depot seines Vaters befindlicher Vermögenswerte nach dessen Ableben an die zweite Ehefrau des Erblassers geltend.
Der Kläger ist nach rechtskräftiger Feststellung durch Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 14.1.2009 als durch einen notariell beurkundeten Erb- und Erbverzichtsvertrag seiner Eltern vom … 9.1980 eingesetzter befreiter Vorerbe Alleinerbe seines am … 2005 letztverstorbenen Vaters.
Hinsichtlich des Inhalts des Erb- und Erbverzichtsvertrags wird auf Bl 28 ff dA verwiesen. Der Erblasser heiratete am … 4.2004 Frau A, verheiratete B, nunmehr C. Bereits am … 1.2004 hatte der Erblasser ein notarielles Testament errichtet, in dem er seine damalige Lebensgefährtin A als Alleinerbin einsetzte. Wegen des Inhalts des Testaments im Einzelnen wird auf Bl 36 ff dA verwiesen. Der Erblasser unterhielt bei der Beklagten ein Depot, das zum Zeitpunkt des Erbfalls Fondsanteile im Wert von ca. 80.000,00 EUR aufwies.
Unter Vorlage des notariellen Testaments vom … 1.2004 sowie des Erb- und Erbverzichtsvertrags vom … 9.1980 beauftragte Frau C die Beklagte, die Fondsanteile auf ihr eigenes Depot zu übertragen. Die Beklagte führte diesen Auftrag aus. Mit der Klage begehrt der Kläger Schadensersatz in Höhe des Wertes der Fondsanteile sowie des weiteren Ersatz des ihm entgangenen Gewinns in Höhe von mehr als 18.000,00 EUR.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, das Depotguthaben auf Frau C zu übertragen. Sie hätte erkennen können, dass das Frau C als Alleinerbin einsetzende Testament wegen der entgegenstehenden Bestimmungen des Erb- und Erbverzichtsvertrags seiner Eltern unwirksam war. Sie sei ihrer auch in Ziffer 20 der Depotbedingungen normierten Prüfpflicht hinsichtlich der Erbberechtigung der Frau C nicht nachgekommen und habe daher ihre Verpflichtungen aus dem Depotvertrag verletzt. Hinsichtlich des geltend gemachten entgangenen Gewinns hat der Kläger die Auffassung vertreten, für die Schadensberechnung sei der Kursgewinn zu berücksichtigen, den der Kläger erzielt hätte, wenn die Fondsanteile in dem Depot verblieben wären. Des Weiteren hat der Kläger Auskunftsansprüche geltend gemacht.
Das Landgericht hat am 26.1.2010 gegen den säumigen Kläger klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen. Im Einspruchstermin vom 15.6.2010 hat die Beklagte hinsichtlich des Zahlungsanspruchs des Klägers wegen einer am Tag zuvor bei Gericht eingegangenen auf Zahlung weiterer 18.435,11 EUR nebst Zinsen gerichteten Klageerweiterung keinen Antrag gestellt.
Das Landgericht hat mit Teilversäumnis- und Teilurteil vom 13.7.2010 unter teilweiser Abänderung des Versäumnisurteils vom 26.1.2010 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 80.254,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2009 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen Frau C, und hat die Klage im Übrigen (mit Ausnahme des Betrages der Klageerwiderung) abgewiesen.
Aus den Gründen
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem mit dem Erblasser abgeschlossenen Depotvertrag (§ 280 Abs. 1 BGB).
Die Beklagte war nicht verpflichtet, sich von Frau C vor Ausführung deren Auftrages die Depotwerte des Depots des Erblassers auf ihr eigenes Depot zu übertragen, einen Erbschein vorlegen zu lassen. Eine solche Pflicht ergibt sich nicht aus Ziff. 20 des Depotvertrags, in der lediglich geregelt ist, dass die Beklagte unter bestimmten Umständen berechtigt ist, sich einen Erbschein vorlegen zu lassen. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Vorlage eines Erbscheins folgt daraus nicht.
Die Beklagte war auch nicht aufgrund ihrer im Erbfall ihres Kunden den Erben gegenüber bestehenden Pflicht zur Prüfung der Erbenstellung vor der Vornahme von Vermögensverfügungen verpflichtet, sich von Frau C einen Erbschein vorlegen zu lassen oder sonstige Erkundigungen einzuholen, etwa, wie der Kläger meint, bei ihm nachzufragen, ob die Erbenstellung der Frau C umstritten ist. Vielmehr durfte die Beklagte aufgrund des ihr vorgelegten notariellen Testaments des Erblassers von einer Alleinerbenstellu...