Einführung
Erster Teil: Annahme bzw. Ausschlagung der Vorerbschaft durch den Betreuer
1
Bei der Gestaltung von Behindertentestamenten wird den betreuungsrechtlichen Problemen nicht immer das Hauptaugenmerk geschenkt. In der Praxis kommt es aber gerade in diesem Bereich immer wieder zu erheblichen Meinungsunterschieden zwischen den Betreuungsgerichten und den Beteiligten (Erben, Betreuer, Testamentsvollstrecker). Folge sind dann oft Rechtsstreitigkeiten vor den Betreuungsgerichten. Der folgende Beitrag will daher einen Überblick über die in der Praxis immer wieder auftauchenden betreuungsrechtlichen Probleme des Behindertentestaments geben. Der Beitrag gliedert sich in 2 Teile. Im ersten Teil geht es um Probleme im Zusammenhang mit der Annahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft durch den Betreuer. Im zweiten Teil geht es um Probleme zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem Betreuer in Bezug auf die Dauervollstreckung am Erbteil des behinderten Kindes.
I. Ausgangsfall
Ausgangspunkt der nachfolgenden Abhandlung ist folgender Standardfall eines klassischen Behindertentestaments:
Die Eheleute M und F haben einen Sohn S und eine Tochter T, die aufgrund einer schweren Behinderung dauerhaft Eingliederungshilfe gem. §§ 53 – 60 SGB XII erhält. Gemeinschaftliche Betreuer von T sind M und F für alle Aufgabenkreise. In ihrem gemeinschaftlichen Testament hat der erststerbende Ehegatte den überlebenden Ehegatten zu 6/7 als Vollerben eingesetzt und die behinderte Tochter T zu 1/7 als nicht befreite Vorerbin.
Der länger lebende Ehegatte hat den Sohn S zu 5/7 als Vollerben und die Tochter T zu 2/7 als nicht befreite Vorerbin eingesetzt. Nacherben soll in beiden Fällen jeweils Sohn S, ersatzweise dessen Abkömmlinge sein.
Für den ersten Erbfall wurde der länger lebende Ehegatte zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Für den zweiten Erbfall und ersatzweise für den ersten Erbfall wird Sohn S zum Testamentsvollstrecker bestimmt.
Das Testament enthält des Weiteren den Vorschlag an das Betreuungsgericht, nach dem Tod beider Eltern den Sohn S zum Betreuer von Tochter T zu bestellen.
Der Ehemann M stirbt am 2.1.2012. Das Eröffnungsprotokoll und eine Abschrift des Testaments werden der F, dem S und der T am 15.2.2012 zugesendet. Das Nachlassgericht informiert zugleich das Betreuungsgericht über den Erbfall. Das Betreuungsgericht bestellt am 23.2.2012 eine Ergänzungsbetreuerin für T für den Aufgabenbereich "Vertretung des Betroffenen in der Nachlassangelegenheit auf Ableben des M einschließlich Entscheidung über die Ausschlagung der Erbschaft" und begründet dies mit einer Interessenkollision gemäß § 1796 Abs. 2 iVm § 1908 i Abs. 1 BGB. Zwischenzeitlich hat bereits F am 20.2.2012 schriftlich dem Nachlassgericht mitgeteilt, dass sie die Erbschaft für sich und T angenommen hat und einen Erbschein beantragt. Ebenfalls am 20.2.2012 hat F die Annahme des Testamentsvollstreckeramts gegenüber dem Nachlassgericht erklärt und ein Testamentsvollstreckerzeugnis beantragt.
Der erste betreuungsrechtliche Konfliktpunkt im Rahmen eines Behindertentestaments ist die Frage, wer über die Annahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft zu entscheiden hat. Hierbei spielt auch die Frage eine Rolle, ob derjenige Betreuer, der zugleich Miterbe und/oder Testamentsvollstrecker ist, wegen Interessenkollision ausgeschlossen ist.
II. Entscheidungzuständigkeit für die Ausschlagung bzw. Annahme der Erbschaft
1. Ausschlagung der Vorerbschaft
Sofern der behinderte Erbe im Rahmen eines Behindertentestaments mit den üblichen Beschränkungen und Beschwerungen zum Vorerben eingesetzt wird, kann er gem. § 2306 I BGB die Erbschaft ausschlagen und seinen Pflichtteil geltend machen.
Fraglich ist, ob die Ausschlagung der behinderte Erbe selbst oder der Betreuer erklären muss. Die Beantwortung dieser Frage hängt zum einen davon ab, ob der behinderte Erbe geschäftsfähig ist und zum anderen, auf welchen Aufgabenkreis sich eine angeordnete Betreuung erstreckt.
Die Ausschlagung der Erbschaft erfordert unbeschränkte Geschäftsfähigkeit. Ist der behinderte Erbe geschäftsfähig, kann er grundsätzlich die Erbschaft selbst ausschlagen.
Ist der behinderte Erbe nicht geschäftsfähig oder wurde trotz Geschäftsfähigkeit eine Betreuung angeordnet, kann die Ausschlagungserklärung nur dann von dem Betreuer abgegeben werden, wenn sich der Aufgabenkreis des Betreuers gerade auf die Ausschlagung der Erbschaft bezieht, da der Betreuer den Betreuten gem. § 1902 BGB nur "in seinem Aufgabenkreis" vertreten kann. Notfalls ist daher der Aufgabenkreis des Betreuers zu erweitern.
Unproblematisch ist die Ausschlagung durch den Betreuer möglich, wenn sich der Aufgabenkreis des Betreuers auf "alle Angelegenheiten" erstreckt, was in der Praxis jedoch nicht immer der Fall ist. Ob für die Ausschlagung einer Erbschaft der allgemeine Aufgabenkreis "Vermögenssorge" ausreicht, ist hingegen umstritten. Im Ergebnis ist die...