Soweit der Bundesgerichtshof im Jahr 1985 zur alten Rechtslage entschieden hat, dass mit Bekanntwerden weiterer Verfügungen des Erblassers die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von der zuvor bekannten Enterbung wie auch der bereits abgelaufene Teil der Verjährungsfrist entfällt, ist an einer Übertragbarkeit dieser Entscheidung auf die aktuelle Rechtslage jedenfalls stark zu zweifeln. Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung damals damit, dass § 2332 Abs. 1 BGB aF für diesen Fall lückenhaft und auslegungsbedürftig sei. Im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung sei § 2332 BGB aF dahin ergänzend auszulegen, dass bei einer allem Anschein nach aufgehobenen Enterbung die frühere Kenntnis des Pflichtteilsrechts wie auch die bereits verstrichene Verjährungszeit ersatzlos entfielen.
Diese Erwägungen greifen nach der Änderung der Verjährungsbestimmungen durch das ErbVerjRÄndG nicht mehr durch. Eine ausfüllungsbedürftige Lücke besteht nicht mehr. Selbst wenn diese grundsätzlich bestünde, kann diese nicht mehr durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen werden. Die maßgeblichen Gründe ergeben sich bereits aus den Ausführungen in der Gesetzesbegründung zum Entwurf der Bundesregierung für das ErbVerjRÄndG. Dort wird in Teil A II ausgeführt, dass mit dem Gesetz die Probleme des geltenden Rechts betreffend die Verjährungsvorschriften für erbrechtliche Ansprüche dergestalt gelöst würden, dass diese Ansprüche mit den notwendigen Modifikationen in das System der Regelverjährung integriert werden; Sonderverjährungsregelungen seien nur noch für Ansprüche des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer, des Nacherben gegenüber dem Vorerben auf Erbschaftsherausgabe und des Erben gegen den Besitzer eines unrichtigen Erbscheins auf Herausgabe selbigen an das Gericht erforderlich. Ausdrücklich wird betont, dass das so modifizierte System für die von einer unklaren Erbrechtslage betroffenen Ansprüche der bisherigen Verjährungsregelung des § 2332 BGB aF im Wesentlichen entspreche und durch den Zwang zur Geltendmachung binnen drei Jahren nach Vorlage der erforderlichen Kenntnis dem Rechtsfrieden besser gedient werde. Dies gilt auch für die weitere Gesetzesbegründung in Teil B des Gesetzesentwurfs.
Bereits aus der verwendeten Formulierung "im Wesentlichen" wird erkennbar, dass eine Übertragung der alten in die neue Rechtslage vom Gesetzgeber nicht eins zu eins beabsichtigt war. Ferner wird die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1985 weder zitiert noch inhaltlich in sonstiger Weise aufgegriffen. Auch aus der weiteren Systematik des aktuellen Verjährungsrechts lässt sich ein so umfassender Wegfall nicht begründen. Hiergegen spricht bereits, dass in einer solchen Konstellation weder ein Neubeginn noch ein Wegfall der Verjährung durch die §§ 203 ff BGB angeordnet ist. Damit hängt die Beantwortung der Frage, welche Auswirkung eine spätere Unkenntnis auf die bereits angelaufene Verjährungsfrist hat, von den Bestimmungen der §§ 195 ff BGB ab. Im Rahmen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB wird die einmal in Gang gesetzte Verjährung auch durch eine spätere Unkenntnis, sogar wenn diese entschuldigt ist, nicht wieder außer Lauf gesetzt. Daher läuft auch bei einer Unsicherheit über den tatsächlichen Erben, die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung oder deren enterbenden oder den (potenziellen) Pflichtteils in sonstiger Weise beschränkenden Inhalt die Verjährungsfrist der §§ 199 Abs. 1, 195 BGB weiter.
Beispielhaft die Frage der unklaren Erbenstellung näher betrachtet führt dies dazu, dass, sollte sich die Erbenstellung des vor Auftritts der Zweifel als Erben angenommenen Dritten ergeben, die Verjährung über die gesamte Dauer der Unsicherheit weitergelaufen ist. Ist die dreijährige Frist abgelaufen, so ist Verjährung eingetreten. In Betracht kommt allein eine Ablaufhemmung im Rahmen des § 211 BGB, soweit dieser einschlägig ist. Der Schutz greift jedoch ins Leere, wenn der Erbe bereits vor der Unsicherheit die Erbschaft angenommen hat. Selbiges gilt, wenn bereits einer von mehreren (Mit-)Erben die Erbschaft angenommen hat, denn für das Eingreifen der Ablaufhemmung ist auf die Erklärung des jeweiligen (Mit-)Erben abzustellen. Ersatzweise könnte an einen Vergleich mit einer besonders unübersichtlichen und verwickelten Rechtslage zu denken sein, bei welcher ausnahmsweise auch erhebliche rechtliche Zweifel den Verjährungsbeginn ausschließen, wobei ein bloßer Rechtsirrtum die Verjährung nicht beeinflusst. Diese Rechtsprechung stellt aber auf Unsicherheiten bei der Rechtslage ab, während bei der Frage der Erbeneigenschaft die Rechtslage regelmäßig eindeutig ist und von der Klärung tatsächlicher Umstände abhängt. Eine Beeinflussung der Verjährung kann aus diesem Ansatz daher regelmäßig nicht resultieren. In einem solchen Fall kann – was in der Praxis jedoch mit hohen Hürden versehen ist – nur noch der Einwand der Treuwidrigkeit gegen die Verjährungseinrede geltend gemacht werden, wenn nicht die Parteien zuvo...