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Im Rahmen der Auseinandersetzung eines Pflichtteilsberechtigten mit den (potentiellen) Erben werden häufiger Situationen auftreten, in denen etwa die Erbenstellung oder die Wirksamkeit bzw. Verbindlichkeit der enterbenden Verfügung unsicher oder streitig ist. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Auswirkungen des ErbVerjRÄndG auf diese Streitigkeiten unter Berücksichtigung aktueller noch zur alten Rechtslage ergangener Entscheidungen untersucht deren Übertragbarkeit.
I. Einführung
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts (ErbVerjRÄndG) gilt in allen ab dem 1.1.2010 eintretenden Erbfällen für Pflichtteils- und Auskunftsansprüche, auch soweit letztere auf § 242 BGB beruhen können, die dreijährige Regel- sowie die dreißigjährige Höchstverjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 und Abs. 3 a BGB.
Maßgeblich für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist ist das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB. Erforderlich ist, dass der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger – hier also der Pflichtteilsberechtigte – von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Ohne Anlaufen der regelmäßigen Verjährung tritt Verjährung nach Ablauf der Höchstfrist des § 199 Abs. 3 a BGB ein. Diese Frist läuft mit Entstehen des Anspruchs – also gem. § 2317 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall – an und endet mithin 30 Jahre nach dem Todestag des Erblassers.
Das Anlaufen der kenntnisabhängigen Verjährung sowie die Auswirkungen von nachträglich auftretenden Unklarheiten über die tatsächliche erbrechtliche Rechtsnachfolge stellen die Beteiligten wie auch die anwaltlichen Berater und die Gerichte vor erhebliche praktische Probleme, die bislang nur teilweise Gegenstand ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung waren.
II. Alte Rechtslage
Bis zum Inkrafttreten des ErbVerjRÄndG war die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs in § 2332 BGB aF normiert. Diese lief an, sobald der Berechtigte vom Eintritt des Erbfalls und der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangte und endete 3 Jahre nach Kenntniserlangeung bzw. kenntnisunabhängig 30 Jahre nach Eintritt des Erbfalls. Dass die erforderliche Kenntnis auch die Kenntnis von der Person des Erben voraussetzte, ist § 2332 BGB aF nicht eindeutig zu entnehmen, wurde jedoch teilweise von Stimmen in der Rechtsprechung so gesehen.
III. Rechtslage nach ErbVerjRÄndG
Nach Inkrafttreten des ErbVerjRÄndG richtet sich die Verjährung nunmehr nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 195, 199 BGB.
1. Anlaufen der Verjährung
Abweichend von der bisherigen Rechtslage des § 2332 BGB aF läuft die kurze kenntnisabhängige Verjährung nunmehr nicht mehr unterjährig, sondern als Jahresendverjährung zum Ablauf des Jahres, in dem die notwendige Kenntnis vorlag oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte vorliegen müssen, an.
2. Vorlage der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis
4.2.1 a)
Das Anlaufen der Verjährung setzt – nach wie vor – die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Eintritt des Erbfalls voraus. Diese Kenntnis liegt nach wohl allgemeiner Auffassung vor, sobald der Berechtigte vom Tod des Erblassers erfährt.
Neu im Verhältnis zu § 2332 BGB aF ist, dass die Verjährung auch dann anläuft, wenn sich der Gläubiger in grob fahrlässiger Unkenntnis befindet. Wann in diesem Punkt eine grob fahrlässige Unkenntnis anzunehmen ist, lässt sich nicht abschließend beantworten, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, die anhand der hierzu allgemein entwickelten Kriterien zu beurteilen sind. Zur Bejahung der grob fahrlässigen Unkenntnis ist erforderlich, dass der Gläubiger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Erwägungen nicht angestellt oder dasjenige nicht bedacht hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Eine allgemeine Obliegenheit zur Nachforschung besteht aber gerade nicht. Ein derart grobes Versäumnis mag bei einem (potentiell) Pflichtteilsberechtigten etwa dann anzunehmen sein, wenn er trotz Kenntnis einer in absehbarer Zeit tödlich verlaufenden Erkrankung des Erblassers sich über einen geraumen Zeitraum nicht um die Kenntniserlangung von dessen Überleben oder Versterben kümmert. Denkbar ist auch, dass bei Kenntnis einer möglichen Betroffenheit des Erblassers von einem Katastrophenfall oder dem Erhalt mehrerer Kondolenzbekundungen nach Ablauf einer gewissen Zeit keine weitergehenden Auskünfte eingeholt werden und sich dieses Verhalten betreffend ganz naheliegender Ermittlungen als geradezu unverständlich herausstellt.