Leitsatz
1. Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 ist auch hinsichtlich solcher Personen anwendbar, die neben der iranischen (oder der deutschen) Staatsbürgerschaft die Staatsbürgerschaft eines Drittstaates haben.
2. Das Niederlassungsabkommen ist nicht anwendbar hinsichtlich in Drittstaaten belegenen unbeweglichen Vermögens; für derartiges Vermögen kommt daher die Anwendung von Art. 3 a Abs. 2 EGBGB in Betracht.
Amtsgericht Hamburg-St. Georg, Beschluss vom 13. April 2015 – 970 VI 1645/12
Sachverhalt
Der Erblasser wurde in Teheran (Iran) geboren und ist am in Hamburg verstorben. Der Erblasser besaß sowohl die iranische als auch die kanadische Staatsbürgerschaft. Der Erblasser war zunächst verheiratet mit Frau RG. Diese Ehe wurde im Jahre 1983 geschieden. Der Erblasser war sodann ein weiteres Mal verheiratet mit Frau M. Auch diese Ehe wurde geschieden.
Der Erblasser hatte insgesamt drei Kinder, und zwar:
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einen Sohn, AR. Dieser ist vorverstorben. Er war unverheiratet und hatte keine Kinder. |
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eine Tochter, NeR (die Antragstellerin). Diese entstammt der Ehe des Erblassers mit Frau RG. |
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eine weitere nichteheliche Tochter, NaP (die Antragsgegnerin). Bezüglich der Antragsgegnerin hatte das Amtsgericht Hamburg mit Urteil vom 11.2.1987 festgestellt, dass der Erblasser der Vater der Antragsgegnerin ist. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf das genannte Urteil auf Bl 17 der Akte verwiesen. |
Weitere Kinder hatte der Erblasser nicht, auch keine Adoptivkinder. Der Erblasser betrieb ein Unternehmen mit Geschäftssitz in Deutschland. Daneben verfügte er in Toronto (Ontario, Kanada) über Grundbesitz.
Sowohl der Erblasser als auch die Antragstellerin gehören der Bahai-Religion an. Die Antragsgegnerin gehört dieser Religion nicht an und ist auch nicht muslimischen Glaubens.
Der Erblasser hatte zu Lebzeiten kein Testament errichtet.
Die Antragsgegnerin führte zu Lebzeiten des Erblassers verschiedene Rechtstreitigkeiten gegen ihn zur Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche.
Unter dem 8.8.2012 (Bl 4 dA) beantragte die Antragstellerin vor dem Notar P einen gegenständlich beschränkten Erbschein, wonach sie, beschränkt auf den in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Nachlass, als einziges eheliches Kind Alleinerbin des Erblassers geworden ist. Nach dem hier anwendbaren schiitischen Erbrecht seien nichteheliche Kinder nicht zur Erbfolge berufen. Zwar könnte hierin ein ordre public-Verstoß liegen. Dieser würde aber aufgrund des Willens des Erblassers "geheilt" werden. Der Erblasser sei stets davon ausgegangen, dass die Antragstellerin Alleinerbin sei.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 18.10.2012, den Erbscheinsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Die Antragsgegnerin bringt im Wesentlichen vor, dass der Erbrechtsausschluss des nichtehelichen Kindes ordre public-widrig sei. Es sei daher deutsches Recht anzuwenden, wonach die Antragsgegnerin hälftig als Erbin berufen sei. Es ließe sich auch nicht feststellen, dass der Erblasserwille dem entgegenstehe.
Das Gericht hat die Antragstellerin angehört. Es hat weiterhin Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S, RG und von Notar P. Diesbezüglich wird auf die Protokolle der Anhörungen vom 16.8.2013 (Bl 137 dA) und 20.3.2015 (Bl 209 dA) verwiesen.
Aus den Gründen
Die Voraussetzungen für die Erteilung des von der Antragstellerin begehrten Erbscheins liegen nicht vor. Der Erbscheinsantrag ist zwar in formeller Hinsicht ordnungsgemäß. Die Antragstellerin ist jedoch nicht Alleinerbin geworden.
1) Erbstatut ist vorliegend hinsichtlich des in Toronto belegenen Grundbesitzes das Recht der Provinz Ontario, Kanada. Im Übrigen ist Erbstatut das iranische Recht; es liegt also eine Nachlassspaltung vor. Dazu im Einzelnen:
a) Da der Erblasser auch iranischer Staatsbürger war, ist das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 (nachfolgend das "Niederlassungsabkommen") zu beachten; dieses Abkommen ist nach wie vor in Kraft (vgl. Palandt-Thorn, Art. 25 EGBGB Rn 4). Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsabkommens sieht folgendes vor: In Bezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht bleiben die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates jedoch den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen. Die Anwendung dieser Gesetze kann von dem anderen vertragschließenden Staat nur ausnahmsweise und nur insoweit ausgeschlossen werden, als ein solcher Ausschluß allgemein gegenüber jedem anderen fremden Staat erfolgt.
Das Niederlassungsabkommen ist hinsichtlich solcher Personen anwendbar, die neben der iranischen (oder der deutschen) Staatsbürgerschaft die Staatsbürgerschaft eines Drittstaates haben.
Nach einer Entscheidung des OLG München soll das Niederlassungsabkommen zwar nur für Personen anwendbar sein, die ausschließlich die deutsche oder ausschließlich die iranische Staatsbürgerschaft besitzen. Sinn des Niederlassungsabkommens sei es, den Staatsangehörigen des jeweils anderen Vertragsstaates in dem von dem Abkommen gereg...