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Der § 2 Abs. 3 ErbStG eröffnet Steuerausländern mit Wohnsitz in einem EU-/EWR-Staat die Möglichkeit, ihre Vermögensanfälle den Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen. Die Wahrnehmung dieses Optionsrechts hat zur Folge, dass die Erwerber von dem höheren Steuerfreibetrag nach § 16 ErbStG profitieren können. Allerdings führt die unbeschränkte Steuerpflicht dazu, dass dadurch das gesamte von dem Erwerb erfasste Vermögen der deutschen Besteuerung unterworfen wird. Der EuGH hatte sich deshalb mit der Frage beschäftigt, ob die Ausgestaltung des § 2 Abs. 3 ErbStG unionsrechtskonform erfolgt ist.
I. Ausgangslage
In seinem Urteil vom 8.6.2016 hat sich der EuGH abermals mit der Frage beschäftigt, ob die für Gebietsfremde geschaffene deutsche Regelung betreffend der antragsbedingten unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht nach § 2 Abs. 3 ErbStG mit dem Unionsrecht (Art. 63 AEUV und Art. 65 AEUV) vereinbar ist. In casu ging es dabei vor allem um den zwanzigjährigen Berücksichtigungszeitraum sämtlicher Vor- und Nacherwerbe, wodurch gebietsfremden Erwerbern – bei Ausübung des Optionsrechts – grundsätzlich eine höhere Schenkungsteuer droht als Gebietsansässigen.
II. Überblick – unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag (§ 2 Abs. 3 ErbStG)
Seit der Anpassung des deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes im Jahr 2011 an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Mattner" besteht für Steuerausländer mit Wohnsitz in einem EU-/EWR-Staat die Möglichkeit, ihre Vermögensanfälle insgesamt den Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen. Die Wahrnehmung dieses Optionsrechts hat einerseits zur Folge, dass die Erwerber neben den höheren Steuerfreibeträgen nach § 16 Abs. 1 ErbStG auch von § 17 ErbStG profitieren können; auf der anderen Seite muss jedoch bedacht werden, dass an die Stelle der beschränkten Steuerpflicht die unbeschränkte Steuerpflicht tritt und dadurch das gesamte von dem Erwerb umfasste Vermögen ("Weltvermögen") der deutschen Besteuerung unterworfen wird. Anders als bei Gebietsansässigen ist in diesem Fall ein Zeitraum von 20 Jahren zu berücksichtigen, in dem die weltweiten Vor- und Nacherwerbe in die "fingierte" unbeschränkte deutsche Steuerpflicht nach Maßgabe des § 14 ErbStG einbezogen werden. Entgegen den allgemeinen Regelungen des Internationalen Steuerrechts ist es hierbei unerheblich, wo die Beteiligten ihren Wohnsitz hatten oder haben werden. Auch die Art des Vermögens sowie die Belegenheit spielt für die Zusammenrechnung der Erwerbe innerhalb von zehn Jahren vor und nach dem Vermögensanfall nach der Vorschrift des § 2 Abs. 3 ErbStG keine Rolle. Infolge des Antrags auf unbeschränkte Steuerpflicht kann es somit unter Umständen rückwirkend zu einer doppelten unbeschränkten Steuerpflicht und damit zu einer nachträglichen höheren Steuerbelastung für ausländische Erwerber kommen. Unklar ist nämlich, inwieweit sich die Steuerpflichtigen auf die Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens berufen können, da dieses grundsätzlich eine Ansässigkeit voraussetzt. Darüber hinaus kann der Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht während des zwanzigjährigen Berücksichtigungszeitraums auch im Fall unvorhersehbarer Nacherwerbe nicht zurückgenommen werden, wodurch es ebenfalls zu einer erheblichen Schlechterstellung gegenüber dem reinen Inlandsfall kommen kann. Angesichts dieser weitreichenden Folgen für Gebietsfremde muss eine Antragsstellung nach § 2 Abs. 3 ErbStG wohl überlegt sein.
III. Sachverhalt
In seinem Urteil vom 8.6.2016 beschäftigte sich der EuGH mit dem am 28.10.2014 eingegangenen Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Düsseldorf. Der EuGH hatte im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Sabine Hünnenbeck und dem Finanzamt Krefeld darüber zu entscheiden, ob der § 2 Abs. 3 ErbStG hinsichtlich des verlängerten Zeitraums bei Inanspruchnahme der höheren Freibetragsregelungen bei Schenkungen unter Gebietsfremden unionsrechtswidrig ist. Am 20.9.2011 übertrug die Klägerin ihren beiden minderjährigen Töchtern jeweils 50 % eines 50 %igen Miteigentumanteils an einem in Düsseldorf belegenen Grundstück. Sowohl Frau Hünnenbeck als auch ihre Töchter sind im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft, der Wohnsitz der Familie befindet...