Der steuerpflichtige fiktive Veräußerungsgewinn ist die Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Anteile (§ 9 BewG) im Zeitpunkt des Wegzugs und ihren historischen Anschaffungskosten (§ 6 Abs. 1 S. 4 AStG). Ungeklärt ist dabei, ob es zu einer Aufstockung der Anschaffungskosten kommt, wenn der Erblasser (Schenker) Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft überträgt, die er bereits vor dem 1.1.2007 gehalten hat und deren stille Reserven teilweise aus jener Zeit stammen. M.E. ist der Gesetzgeber durch das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot gehindert, vor 2007 entstandene Wertsteigerungen in solchen Beteiligungen der Wegzugssteuer zu unterwerfen. Ein weiterer Streitpunkt mit den Finanzbehörden ist die Ermittlung des gemeinen Werts im Wegzugszeitpunkt. Die Finanzbehörden wenden das vereinfachte Ertragswertverfahren (§ 11 Abs. 2 S. 4 iVm §§ 199 ff BewG) an, das trotz Deckelung des Kapitalisierungsfaktors seit 1.1.2016 (§ 203 BewG) zu teils überhöhten Werten führt. Als Ausweg bleibt ein Wertgutachten z. B. nach IDW S 1 zum Nachweis, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren zu einem "offensichtlich unzutreffenden Ergebnis" führt (§ 199 Abs. 1 BewG). Zu bemängeln ist schließlich, dass das Gesetz für die Ermittlung des gemeinen Werts für Zwecke des § 6 AStG – anders als für Zwecke der Erbschaftsteuer – keine gesonderte Feststellung vorsieht.[25] Bei Meinungsverschiedenheiten über den Wert muss daher der Einkommensteuerbescheid für das Jahr des Wegzugs offengehalten werden, während bei der Erbschaftsteuer der jeweilige Feststellungsbescheid angefochten werden muss.

[25] Grundsätze zur Anwendung des AStG, BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz 18.1.1.1.

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