Überlegungen zum Videotestament
Dorothea Ludwig
Schriften zum deutschen und ausländischen Familien- und Erbrecht Band 29
Wolfgang Metzner Verlag, 199 Seiten, 39,90 EUR
ISBN 978-3-96117-044-9
Interessant, auf hohem Niveau und ganz vorzüglich verfasst ist die beim Wolfgang Metzner Verlag erschienene Promotionsschrift "Die Form des ordentlichen Privattestaments" von Frau Rechtsanwältin Dr. Dorothea Ludwig aus Hamburg. Das Buch beinhaltet eine prägnante Einleitung, fünf Kapitel (Das Ordentliche Testament, Form und Formzwecke, Heutige Realitäten und ihre Auswirkungen auf die Formzwecke, Zukünftige Leistungsfähigkeit und Bedeutsamkeit der Form des § 2247 BGB und Reformüberlegungen) sowie Ludwigs Zusammenfassung mit Ausblick.
Als Leser wird man durch exzellente Ausführungen davon überzeugt, dass eine Reform des ordentlichen Privattestaments stattfinden muss. Spannend sind die Überlegungen von Ludwig und ihr Lösungsvorschlag einer neuen Testamentsform, dem Videotestament. Dieses kann sich als eine zukunftsträchtige und praxistaugliche neue Testierform darstellen (5. Kapitel B. VI) und damit kann eine Stärkung der Intentionalitätsgewähr erreicht werden. Künftige Testatoren hätten damit die Möglichkeit, ihren letzten Willen audiovisuell exakt umzusetzen, wobei einer Beeinflussung durch Dritte entgegenwirkt wird.
Die Notwendigkeit für eine neue Testierform verdeutlichen die wissenschaftlichen Ausführungen und überzeugenden Einschätzungen von Ludwig; sie leitet diese aus veränderten gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen her. So wirkt sich nach Auffassung von Ludwig der demografische Wandel relevant auf das Testamentsrecht aus. Die Altersstruktur der Bevölkerung wird durch rückläufige Geburten und eine steigende Lebenserwartung verändert. Zudem wird sich die Digitalisierung auf die Testamentsformzwecke auswirken. Jüngere Menschen wollen mit neuen Techniken aufwachsen. Die Notwendigkeit, handschriftliche Texte zu verfassen und Unterschriften zu leisten, wird im Alltag damit seltener. Mehr Menschen als bisher werden eine wenig ausgeprägte Handschrift aufweisen, die auf ihren Verfasser hindeutet. Eine Beurteilung, ob ein handschriftlich eigenhändig geschriebenes Testament vom Erblasser stammt oder nicht, dürfte damit schwieriger oder unmöglich werden. Mit der höheren Lebenserwartung werden mehr Personen als bisher durch Erkrankungen wie Demenz gehindert sein, ein Testament wirksam zu errichten. Die Gefahr unwirksamer Testamentserrichtungen nimmt zu.
Die Vorteile der neuen Testierform "Videotestament" liegen auf der Hand und Ludwig führt zudem aus, dass in der Schweizer Gesetzgebung wegweisend eine Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs zur Modernisierung des Erbrechts in die Vernehmlassung geschickt wurde (5. Kapitel). In der Schweiz wird vorgesehen, dass in Situationen einer unmittelbaren Todesgefahr ein Nottestament auch per Video aufgezeichnet werden darf, zum Beispiel mit dem Smartphone. Bei seiner audiovisuellen Verfügung muss der Erblasser selbst auf der Aufzeichnung erscheinen, seinen Namen angeben, den außerordentlichen Umstand erläutern, nach Möglichkeit das Datum nennen und seinen letzten Willen erklären.
Ludwig verdeutlicht die Vorteile der Videotestierform. Sie zeigt die Schwächen des eigenhändig geschriebenen Testaments auf und verdeutlicht die Grenzen des Schutzes, den eine notarielle Mitwirkung bieten kann (Kapitel 5). Das überzeugt, denn die juristische gute Ausbildung enthält keine medizinische, die einen Notar in der Lage versetzt, fundierte zutreffende Diagnosen zur erforderlichen Testier- und/oder Geschäftsfähigkeit zu stellen.
Das Videotestament bietet Vorteile. So könnten später ein Nachlassrichter und ein medizinischer Gutachter die Video-Aussagen des Erblassers vom Tage seiner audiovisuellen Testamentserrichtung in einem Erbstreitfall bewerten und die exakten Eindrücke von der Verfassung des Testators, seiner Stimmung, seiner möglichen Geschäftsfähigkeit oder Testierfähigkeit gewinnen.
Nach Lesen der überzeugenden Ausführungen von Ludwig meine ich, dass es an der Zeit ist, auch das notarielle Beurkundungsverfahren zu reformieren und zu stärken. Mit einer Videotestamentsbeurkundung durch einen Notar könnten Testatoren, die der Technik kritisch gegenüberstehen oder die überfordert sind, die Vorteile des Videotestaments auch wahrnehmen. Gelegentlich wird dadurch sogar ein Beurkundungsverfahren für den Notar leichter, dann, wenn der umsichtige Notar eine Person, die den Testator begleitet und kaum zu Wort kommen lässt, aus dem Amtsraum bitten muss, um eine Erforschung des letzten Willens des Testators (§ 17 Abs. 1 BeurkG) überhaupt zu ermöglichen.
Zukunftsweisend ist bereits die vorzügliche Promotionsschrift der Frau Dr. Dorothea Ludwig und zukunftsweisend dürfte auch das Videotestament werden. Der Gesetzgeber muss es nur noch einführen und jeder Testator könnte seinen letzten Willen in eine Kamera sprechen und ihn auf diese Weise audiovisuell festhalten, ganz gleich, ob er das Aufnahmegerät selbst bedie...