Leitsatz
1. Zur Frage der vorübergehenden Unmöglichkeit der Wahrnehmung eines Termins zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses im Hinblick auf eine behauptete Gefährdung durch Covid-19. Anmerkung: Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
2. Zu dieser Entscheidung gibt es eine Pressemitteilung auf der Webseite des OLG (www.olg-frankfurt-justiz.hessen.de).
OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 9.7.2020 – 10 W 21/20
1 Tatbestand
Die 77-jährige Schuldnerin wendet sich gegen die Verhängung eines Zwangsgelds, mit dem sie zur Erteilung der im Wege eines Teilanerkenntnisurteils titulierten Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses angehalten werden soll. Zur Begründung führt sie aus, ein für den 16.4.2020 vereinbarter Termin mit dem Notar bei ihr habe im Hinblick auf die "momentane Situation" verschoben werden müssen, da sie wegen ihrer eigenen stark erhöhten Gefährdungslage derzeit jegliche Kontakte mit Dritten vermeide. Sie habe alles Erforderliche für die Erstellung des Verzeichnisses getan.
2 Gründe
Die gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793, 569 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Schuldnerin wendet eine vorübergehende Unmöglichkeit ein, während deren Dauer Zwangsmaßnahmen i.S.v. § 888 ZPO unzulässig sind. Hierfür ist die Beklagte indes darlegungs- und beweispflichtig. Ihre Ausführungen zu einer Terminsaufhebung im Hinblick auf die "eigene stark erhöhte Gefährdungslage" – offenbar im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie und ihr Alter – genügen dafür nicht. Dazu wäre erforderlich, dass der Schuldnerin eine Terminswahrnehmung (sei es – wie geplant – in ihrem Hause oder am Amtssitz des Notars) auch bei Einhaltung der gebotenen Schutzmaßnahmen nicht zumutbar ist, ggf. auch unter Darlegung der vom Notar veranlassten Hygienemaßnahmen. Im Übrigen ordnet § 2314 BGB keine persönliche Wahrnehmung des Termins zur Aufnahme eines Bestandsverzeichnisses an. Auch die Rechtsprechung sieht das nur für den Regelfall vor (BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – I ZB 109/17, juris Rn 33). In Betracht kämen unter den gegebenen Umständen auch eine schriftliche oder fernmündliche Korrespondenz mit dem Notar und/oder die Mitwirkung eines Vertreters.
Trotz Hinweises auf diese Rechtslage durch den Senat und der Ankündigung einer Stellungnahme seitens der Schuldnerin hat sich diese hierzu binnen verlängerter Frist nicht mehr geäußert. Eine Unmöglichkeit der Auskunftserteilung steht daher nicht fest, so dass der angefochtene Beschluss im Ergebnis zu Recht ergangen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
3 Anmerkung
Im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens (Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds gemäß § 888 ZPO) hatte das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. zu den Anforderungen an den persönlichen Austausch zwischen dem Notar und dem bzw. den Erben bei der Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu entscheiden. Die zutreffende Entscheidung des Senats hat über die aktuelle Pandemie hinaus Bedeutung. Sie enthält zwei – rechtlich zutreffende – Aussagen, die dem Notar die Gestaltung des Verfahrens zur Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses erleichtern und so zur Rechtsklarheit beitragen.
1. Es muss bei der Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses in aller Regel eine persönliche Belehrung und Befragung des bzw. der Erben durch den Notar erfolgen.
Der Notar verwirklicht bei der Errichtung eines Nachlassverzeichnisses die Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes des Art. 14 GG (BVerfG, Beschl. v. 25.4.2016, 1 BvR 2423/14 –, juris). Das notarielle Nachlassverzeichnis muss daher eine höhere Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft über den Nachlass bieten als die privatschriftliche Auskunft des Erben. Nur dann wird die Erbrechtsgarantie wirksam gewährleistet. Die Ermittlung des Nachlasses durch eine amtliche, objektive Stelle soll dem Schutz des pflichtteilsberechtigten Nichterben vor Verkürzung seines Anspruchs dienen (BGH, Urt. v. 20.5.2020 – IV ZR 193/19, juris, NJW 2020, 2187 m. Anm. Schönenberg-Wessel; BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – I ZB 103/17, juris; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.3.2014 – 2 W 495/13, juris; Schönenberg-Wessel, Nachlassverzeichnis-HdB, § 1 Rn 3).
Die besondere Qualität des notariellen Nachlassverzeichnisses ergibt sich aus dem unmittelbaren Dialog zwischen dem bzw. den Erben und dem Notar und den damit verbundenen Aufklärungen und Belehrungen durch den Notar. Der Notar soll den Erben in einem persönlichen Austausch eindringlich und unmittelbar über seine Wahrheitspflicht belehren (vgl. Schönenberg-Wessel, Nachlassverzeichnis-HdB, § 31 Rn 1). Der Notar wird von der persönlichen Befragung und Belehrung der bzw. des Erben nur dann absehen können, wenn der bzw. die Erben insbesondere aufgrund ihres Alters oder ihrer gesundheitlichen Situation nicht mehr in der Lage sind die notwendigen Auskünfte zu erteilen (BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – I ZB 103/17, juris). Äußere Faktoren, wie etwa die aktuelle Corona Pandemie sind dagegen nicht geeignet, um von dem persönlichen Austausch abzuseh...