Leitsatz
Liegt ein teilmittelloser Nachlass vor, weil der vorhandene Nachlass nicht zur vollständigen Befriedigung aller vom Nachlasspfleger geleisteten Stunden ausreicht, so besteht ein Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers aus §§ 1960, 1915 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 1836 Nr. 2 BGB gegen den Nachlass, soweit dieser vermögend ist, und hinsichtlich der verbliebenen Stunden nach den niedrigeren Stundensätzen des § 3 VBVG gegen die Staatskasse.
OLG Hamm, Beschl. v. 3.8.2021 – 10 W 85/20
1 Tatbestand
I.
Mit Beschl. v. 29.1.2018 ordnete das Nachlassgericht Nachlasspflegschaft an und bestellte die Beteiligte zu 1) zur berufsmäßigen Nachlasspflegerin mit dem Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Ermittlung der Erben.
Die Verpflichtung der Beteiligten zu 1) erfolgte am 1.2.2018.
Mit Beschl. v. 30.9.2019, der Beteiligten zu 1) zugestellt am 7.10.2019, hob das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft auf, da es davon ausging, die Erben seien ermittelt. Der Nachlass weist ein Kontoguthaben in Höhe von 824,30 EUR auf.
Mit Antrag vom 23.12.2019 beantragte die Beteiligte zu 1) für den Zeitraum vom 1.2.2018 bis zum 7.10.2019 die Festsetzung einer Vergütung nebst Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 6.027,67 EUR brutto. Hierbei rechnete sie 44,3333 näher dargelegte Stunden zu einem Stundensatz in Höhe von 110,00 EUR netto sowie Auslagenersatz für Telefon, Porto und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 188,60 EUR ab.
Mit dem angefochtenen Beschl. v. 28.4.2020, in dem die Beteiligte zu 2), eine Tochter der Erblasserin, als Erbin bezeichnet worden ist, hat das Nachlassgericht eine Vergütung nebst Auslagenersatz in Höhe von 6.027,67 EUR festgesetzt und angeordnet, dass dieser Betrag in Höhe von 824,30 EUR dem Nachlass entnommen werden könne und der restliche Betrag in Höhe von 5.203,37 EUR gegen die Erbin geltend zu machen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 19.5.2020. Sie wendet sich gegen die Annahme ihrer Erbenstellung, weil sie die Erbschaft am 26.1.2018 ausgeschlagen und nur Gegenstände aus der Wohnung der Erblasserin mitgenommen habe, um ihren Bruder bei der Räumung der Wohnung zu unterstützen. Zudem hält sie die dem Vergütungsantrag beigefügte Zeitaufstellung für unwahr, diese entbehre jeglicher Grundlage für die angeblich erbrachten Tätigkeiten.
Mit Beschl. v. 30.7.2020 hat das Nachlassgericht der Beschwerde mit näherer Begründung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Gründe
II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen gem. §§ 59 ff. FamFG zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Nachlassgericht eine Vergütung in beantragter Höhe festgesetzt und angeordnet, dass der nicht durch den Nachlass gedeckte Teil der Vergütung gegen die Beteiligte zu 2) als Erbin geltend zu machen sei.
1. Liegt – wie hier – ein teilmittelloser Nachlass vor, weil der vorhandene Nachlass nicht zur vollständigen Befriedigung aller vom Nachlasspfleger geleisteten Stunden ausreicht, so besteht ein Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers aus §§ 1960, 1915 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 1836 Nr. 2 BGB gegen den Nachlass, soweit dieser vermögend ist, und hinsichtlich der verbliebenen Stunden nach den niedrigeren Stundensätzen des § 3 VBVG gegen die Staatskasse (BGH, Beschlüsse vom 29.6.2021, IV ZB 16/20 und IV ZB 36/20, juris).
Mit seinem Vergütungsantrag hat der Nachlasspfleger eine Aufstellung über seinen Zeitaufwand vorzulegen, die vom Nachlassgericht auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen ist. Erforderlich, aber auch ausreichend für einen ordnungsgemäßen Vergütungsantrag ist, dass die Angaben in der Tätigkeitsaufstellung die Feststellung einer ungefähren Größenordnung des Zeitaufwandes für die entfalteten Tätigkeiten ermöglichen und so zur Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO gemacht werden können. Verlangt wird deshalb, dass der Nachlasspfleger die zur Abrechnung gestellten Tätigkeiten zumindest stichwortartig angibt und in einem Umfang konkretisiert, der eine überschlägige Prüfung des abgerechneten Zeitraumes und so eine sachliche Überprüfung der Abrechnungspositionen erlaubt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.11.2019 – I-3 Wx 189/19 m.w.N., juris).
Die von der Beteiligten zu 1) vorgelegte Aufstellung über die von ihr in dem abrechenbaren Zeitraum entfalteten Tätigkeiten genügt diesen Anforderungen und ist plausibel. Konkrete Einwendungen hiergegen hat die Beteiligte zu 2) nicht erhoben, sondern lediglich pauschal die inhaltliche Richtigkeit der Aufstellung in Frage gestellt. Für die Vergütungsfestsetzung ist daher von einem zu vergütenden Zeitaufwand von 44,33 Stunden auszugehen.
Angesichts des vorliegend nicht zu beanstandenden und von der Beschwerde nicht gerügten Stundensatzes der Nachlasspflegerin von 110,00 EUR netto bzw. 130,90 EUR inkl. MwSt. reicht der Nachlass in Höhe von 824,30 EUR nur aus, um 6,3 Stunden der insgesamt abgerechneten 44,33 Stunden zu ve...