a) Im Regelfall fehlt es dem Pflichtteilsberechtigten an Kenntnissen über den Nachlass. Ohne Kenntnis des Bestands bzw. des Werts des Nachlasses ist der Pflichtteilsberechtigte aber nicht in der Lage zu entscheiden, ob er einen Pflichtteilsanspruch geltend machen will und gegebenenfalls in welcher Höhe. § 2314 Abs. 1 BGB trägt diesem Umstand Rechnung und räumt dem Pflichtteilsberechtigten daher sehr weit reichende Ansprüche ein, nämlich auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und außerdem auf Ermittlung des Werts der Nachlassgegenstände.

Dabei steht es dem Pflichtteilsberechtigten frei, ob er sich mit einem privaten Verzeichnis des Erben begnügt, oder ob er die Aufnahme eines Verzeichnisses durch eine Amtsperson fordert. Die Ansprüche kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich in beliebiger Reihenfolge nacheinander oder nebeneinander geltend machen,[3] wobei freilich der Pflichtteilsberechtigte für den Fall, dass er zuerst das notarielle Nachlassverzeichnis fordert und erhält, um dann ein Verzeichnis durch den Erben selbst zu fordern, damit rechnen muss, dass ihm die Einrede der Erfüllung, § 362 Abs. 1 BGB, oder Rechtsmissbrauch entgegengehalten wird.[4] Der immer wieder vorgebrachte Einwand von Erben, sie hätten doch selbst bereits hinreichend Auskunft gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten erteilt, verfängt vor diesem Hintergrund nicht; der Pflichtteilsberechtigte ist nicht verpflichtet, nach Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses zu begründen, warum er außerdem ein notarielles Nachlassverzeichnis fordert.[5]

b) In dem hier in Rede stehende Nachlassverzeichnis finden sich u.a. folgende Feststellungen des Notars:

– "Landschaftsbilder, nach Angabe in Öl, Künstler unbekannt, Erinnerungswert je Bild aus Kulanz 100 EUR", wobei zur Erläuterung noch darauf hingewiesen wurde, dass keine besondere Fachkenntnis behauptet werden könne,

– zu einer Uhr des Erblassers hieß es, dass diese nicht habe präsentiert werden können, sie sei "nach Angabe an den Sohn (…) als Andenken gegeben" worden, der Wert wurde dessen ungeachtet zusammen mit Manschettenknöpfen und Krawattennadeln insoweit auf "maximal 500 EUR" geschätzt,

– unter "Sonstiges" findet sich der Hinweis: "Es existiert ausweislich der Unterlagen ein Bankschließfach. Die Auskunftsverpflichtete gibt hierzu auf Nachfrage des Notars an, dass darin seit je her nur Akten und persönliche Dokumente verwahrt werden".

Dazu kamen weitere zweifelhafte Angaben, wie die zu Bankdepots, bei denen aber die depotführende Bank gar nicht genannt wurde, der Hinweis darauf, dass "nach Aussage der Erben" keine Ansprüche gegenüber dem Finanzamt auf Steuerrückerstattungen bestehen und dazu auch weitere Auskünfte vom Notar nicht eingeholt worden seien.

c) Damit hatte der Notar die an ihn zu stellenden Anforderungen gleich mehrfach nicht erfüllt.

Es dürfte mittlerweile gefestigte Erkenntnis sein, dass der Notar selbst tätig werden muss. Ein durch einen Notar aufgenommenes Verzeichnis nach § 2314 BGB liegt nicht bereits dann vor, wenn der Notar lediglich Erklärungen des Auskunftspflichtigen über den Bestand beurkundet. Der Notar muss vielmehr den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen und dabei diejenigen Nachforschungen anstellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.[6] Nur vor diesem Hintergrund ist die Annahme gerechtfertigt, dass das notarielle Verzeichnis eine größere Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit als das Privatverzeichnis bietet.

Der Notar darf zwar zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen, wobei er den Auskunftsverpflichteten zur Mitwirkung auffordern muss.[7] Allerdings darf der Notar sich auf die ihm gegenüber gemachten Angaben nicht beschränken[8] und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Es liegt kein Fall der Beurkundung einer Willenserklärung vor (§§ 6 ff. BeurkG), sondern ein Fall der Beurkundung eigener Wahrnehmungen (§ 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BeurkG). § 2314 BGB geht dabei über die Fälle hinaus, in denen der Erbe einen "Notar zuziehen" muss (vgl. § 2002 BGB für die Inventarerrichtung).[9]

Geradezu "verräterisch" wirken dann Anmerkungen wie die, dass "nach Angabe des Erben" der Sachverhalt sich in der einen oder anderen Weise darstelle. So durfte der Notar, der Kenntnis von einem Bankschließfach erlangt hatte, sich nicht damit begnügen, im notariellen Nachlassverzeichnis festzuhalten, dass nach Angaben der Auskunftsverpflichteten dort nur "Akten und persönliche Dokumente verwahrt" würden. Den Inhalt hatte er vielmehr selbst festzustellen, und zwar unabhängig von einem entsprechenden Verlangen des Pflichtteilsberechtigten und auch ohne konkrete Verdachtsmomente, weil nach der Lebenserfahrung damit zu rechnen ist, dass in Bankschließfächern auch Wertsachen aufbewahrt werden.

Wertangaben sind vom Notar nicht geschuldet.[10] Der Notar tut gut daran, solche auch zu unterlassen, nicht nur dann, wenn ihm die eigene Kenntnis zur Beurteilung des Wertes ein...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge