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Dieser kleine Beitrag soll aus richterlicher Sicht Anmerkungen zum notariellen Nachlassverzeichnis enthalten, wie sie sich aus der Bearbeitung eines jüngst vom OLG Celle entschiedenen Sachverhalts ergeben haben. Der Sachverhalt zeigt (wie daneben nicht wenige andere), dass zum notariellen Nachlassverzeichnis nach wie vor manche Fehlvorstellung zu herrschen scheint, gerade bei den Notaren selbst.
1. Ein Fall unter nicht wenigen als "Aufhänger"
Der Fall, der hier nur als "Aufhänger" dienen soll, ist schnell zusammengefasst: Die vom Pflichtteilsberechtigten im Wege der Stufenklage auf Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses in Anspruch genommene Erbin unterliegt in 1. Instanz, weil das Landgericht das vorgelegte Nachlassverzeichnis für unvollständig und ungenügend hält; die Berufung führt für die Beklagte – zulässigerweise – der von ihr mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragte Notar, der dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten war. Mit seiner Anschlussberufung verfolgt der Kläger den Antrag, die Beklagte weiter zu verurteilen, den Kläger zur Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses hinzuzuziehen.
2. Kernfragen zum notariellen Nachlassverzeichnis dürfen an sich als geklärt angesehen werden. Für die (gerichtliche) Praxis sieht die Sache freilich ganz anders aus
a) Im Regelfall fehlt es dem Pflichtteilsberechtigten an Kenntnissen über den Nachlass. Ohne Kenntnis des Bestands bzw. des Werts des Nachlasses ist der Pflichtteilsberechtigte aber nicht in der Lage zu entscheiden, ob er einen Pflichtteilsanspruch geltend machen will und gegebenenfalls in welcher Höhe. § 2314 Abs. 1 BGB trägt diesem Umstand Rechnung und räumt dem Pflichtteilsberechtigten daher sehr weit reichende Ansprüche ein, nämlich auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und außerdem auf Ermittlung des Werts der Nachlassgegenstände.
Dabei steht es dem Pflichtteilsberechtigten frei, ob er sich mit einem privaten Verzeichnis des Erben begnügt, oder ob er die Aufnahme eines Verzeichnisses durch eine Amtsperson fordert. Die Ansprüche kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich in beliebiger Reihenfolge nacheinander oder nebeneinander geltend machen, wobei freilich der Pflichtteilsberechtigte für den Fall, dass er zuerst das notarielle Nachlassverzeichnis fordert und erhält, um dann ein Verzeichnis durch den Erben selbst zu fordern, damit rechnen muss, dass ihm die Einrede der Erfüllung, § 362 Abs. 1 BGB, oder Rechtsmissbrauch entgegengehalten wird. Der immer wieder vorgebrachte Einwand von Erben, sie hätten doch selbst bereits hinreichend Auskunft gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten erteilt, verfängt vor diesem Hintergrund nicht; der Pflichtteilsberechtigte ist nicht verpflichtet, nach Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses zu begründen, warum er außerdem ein notarielles Nachlassverzeichnis fordert.
b) In dem hier in Rede stehende Nachlassverzeichnis finden sich u.a. folgende Feststellungen des Notars:
– "Landschaftsbilder, nach Angabe in Öl, Künstler unbekannt, Erinnerungswert je Bild aus Kulanz 100 EUR", wobei zur Erläuterung noch darauf hingewiesen wurde, dass keine besondere Fachkenntnis behauptet werden könne,
– zu einer Uhr des Erblassers hieß es, dass diese nicht habe präsentiert werden können, sie sei "nach Angabe an den Sohn (…) als Andenken gegeben" worden, der Wert wurde dessen ungeachtet zusammen mit Manschettenknöpfen und Krawattennadeln insoweit auf "maximal 500 EUR" geschätzt,
– unter "Sonstiges" findet sich der Hinweis: "Es existiert ausweislich der Unterlagen ein Bankschließfach. Die Auskunftsverpflichtete gibt hierzu auf Nachfrage des Notars an, dass darin seit je her nur Akten und persönliche Dokumente verwahrt werden".
Dazu kamen weitere zweifelhafte Angaben, wie die zu Bankdepots, bei denen aber die depotführende Bank gar nicht genannt wurde, der Hinweis darauf, dass "nach Aussage der Erben" keine Ansprüche gegenüber dem Finanzamt auf Steuerrückerstattungen bestehen und dazu auch weitere Auskünfte vom Nota...