Der Verfasser sieht eine europaweite Tendenz, die Erbschaftsteuer ganz oder für Ehe- und eingetragene Lebenspartner abzuschaffen. In Deutschland sei das derzeit kaum mehrheitsfähig. Die Besteuerung von Ehe- und Lebenspartnern sei jedoch (erneut) reformbedürftig. Für diese Reform wird eine Neustruktur vorgestellt, die auf die grundrechtlich angreifbare Steuerfreiheit des Familienheims verzichtet und sie durch eine mit der Dauer der Partnerschaft progredierende Erhöhung des allgemeinen Freibetrags ersetzt.
Einleitung
Der Verfasser hat sich schon in früheren Fachbeiträgen mit verfassungsrechtlichen Fragen zur Erbschaftsbesteuerung von Ehepartnern beim Tode des ersten Partners sowie von Abkömmlingen als Schlusserben eines "Berliner Testaments" befasst. Er hat darin Reformbedarf angemeldet und Anregungen zu Änderungen des Besteuerungssystems beschrieben. Diese Überlegungen werden hier wieder aufgenommen und zur Diskussion angeboten. Auch sollen sie den Gesetzgeber – trotz dessen Vielzahl an anderen legislativen Aufgaben insgesamt – erneut daran erinnern, dass viele Bürger die Erbschaftsbesteuerung grundsätzlich als "enteignungsgleichen" Eingriff in das Privateigentum sehen. Andere wenden sich gegen das Übermaß der Besteuerung und weisen auf die in der Regel hohe Vorversteuerung beim Erwerb ihres Vermögens hin, das sich beim Tod des Inhabers zum erneut steuerpflichtigen Nachlass gewandelt hat. Andere Bürger halten die Freibeträge zu niedrig und/oder die Steuersätze zu hoch. Solche Kritik entfaltet sich auch infolge der zunehmenden Kenntnis, dass die meisten anderen europäischen und viele außereuropäische Staaten entweder überhaupt keine Erbschaftssteuer (mehr) erheben, erbende Ehepartner von ihr ausdrücklich freistellen oder niedrigere Steuerquoten als in Deutschland festsetzen.
Abschaffung oder Reform der Ehegatten- und Lebenspartnerbesteuerung?
Ein kurzer Blick auf die in den europäischen Staaten geltenden gesetzlichen Regeln über die Erbschaftsbesteuerung von Ehepartnern soll daher zur Einführung in die Thematik dieses Beitrags zeigen, dass die Forderung nach einer dem europaweiten und sogar globalen Trend folgenden Reform auch des deutschen Rechts zu einem der Gebote des Tages geworden ist. Nach dieser Übersicht werden Kritikpunkte an unseren inländischen Regeln benannt und die nach Meinung des Verfassers angezeigten Reformansätze beschrieben. Dabei ist nolens volens davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber heute und in naher Zukunft nicht bereit sein wird, dem internationalen Trend zu folgen, die Erbschaftsteuer ganz abzuschaffen oder jedenfalls die Ehepartner als Erben von der Besteuerung völlig freizustellen. Diese in vieler Hinsicht sinnvollsten Lösungen würden aufgrund unserer innenpolitischen und sozialen Strukturen derzeit parlamentarisch nicht mehrheitsfähig sein. Wir deutschen Wahlbürger sind zu sehr von der Vorstellung überfrachtet, dass die Vermögensbildung und -mehrung einer Person zwangsläufig und eo ipso die Verarmung anderer Personen bedeute und daher zu deren Lasten gehe. Zweifellos gibt es dafür Beispiele, auch recht unerfreulicher Art. Sie sollten aber nicht das Bewusstsein dafür trüben, dass Vermögensbildung in erster Linie Folge und Ergebnis besonders ausgeprägter oder spezieller beruflicher Leistungsfähigkeit und -bereitschaft unter Hinnahme auch von Unsicherheiten oder sogar von existentiellen Risiken ist. Die Reformüberlegungen werden daher, um demokratisch mehrheitsfähig zu sein, auf die "zweitbeste", nach Meinung des Verfassers aber angemessene Lösung zu richten sein. Das bedeutet, die Erbschaftsbesteuerung von Ehepartnern beizubehalten, sie aber in ein System zu überführen, das den erbenden Ehepartner gemessen an der Dauer der ehelichen Partnerschaft ansteigend steuerlich entlastet und ihm auch das steuerfreie Erben des gemeinsamen Familienheimes ermöglicht, ohne dass er es als "Gemeinheit gegenüber alten Menschen" empfinden müsste.
Besteuerung von Ehepartnern in den europäischen Staaten
Ein Studium des auch für die Erbschaftsbesteuerung sehr zuverlässigen und informativen Sammelwerks von Rembert Süß zeigt, dass von den insgesamt von Albanien bis Zypern (Süd) alphabetisch erfassten 41 europäischen Staaten einschließlich Russlands 31 Staaten entweder überhaupt keine Erbschaftsteuer (mehr) erheben oder die Ehepartner als Erben steuerfrei stellen. In weiteren fünf Staaten sind die Steuerquoten für Ehepartner marginal niedrig. Nur in den fünf restlichen Staaten Belgien, Deutschland, Finnland, Niederlande und Spanien werden erbende Ehepartner noch in einem Maße besteuert, das – ungeachtet der Freibeträge wie z.B. in Deutschland von 500 TEUR – im Vergleich zu den anderen europäischen und vielen außereuropäischen Staaten als nicht akzeptabel bezeichnet werden muss.
So steigen z.B. die Steuerquoten Deutschlands für Ehepartner bekanntlich von noch vertretbaren 7 % (bis zu 75 TEUR steuerpflichtigen Erwerbs) in Stufen z.B. über (schon überhöhte) 15 % (bis zu 600 TEUR) bis zur ...