Kurze
2. Auflage 2023
758 Seiten, 99 EUR
Verlag C.H.Beck, ISBN 978-3-406-78898-7
Sechs Jahre nach der ersten Auflage ist die neue und erweiterte zweite Auflage des von Dr. Dietmar Kurze herausgegebenen und in weiten Teilen auch bearbeiteten Praxiskommentars "Vorsorgerecht" erschienen. Der Herausgeber ist ein ausgewiesener Praktiker, der auch über die rein anwaltliche Tätigkeit hinaus sich für das Thema Vorsorge engagiert. Auch die weiteren, nunmehr in ihrer Zahl von acht auf 13 angewachsenen Autoren sind nahezu ausschließlich in der Praxis tätig. Besonders erfreulich ist, dass neben den juristischen Bearbeitern auch an der Neuauflage wieder Jox beteiligt ist, der es als Mediziner dem Juristen erleichtert, den Umgang mit medizinischen Fachbegriffen und Sichtweisen nachzuvollziehen.
Wie in der Vorauflage werden schwerpunktmäßig die zentralen Regelungen im BGB zum Thema Vollmacht, Betreuung und Patientenverfügung erläutert. Dabei wird die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zum 1.1.2023 umfassend berücksichtigt, sodass der in der "Gelben Reihe" im Beck-Verlag erschienene Handkommentar äußerst hilfreich ist, wenn es gilt, sich bei der Bearbeitung eines konkreten Falls kurzfristig in den neuen Gesetzesaufbau und die geänderten Regelungen einzufinden.
Das neue Betreuungsorganisationsgesetz wird in seinen zentralen Vorschriften kommentiert, wobei es wünschenswert gewesen wäre, hier das gesamte Gesetz in die Bearbeitung einzubeziehen. Durch die Außerachtlassung z.B. der Regelungen zu Zuständigkeiten und organisatorischen Pflichten wie auch der Mitwirkung der Betreuungsbehörde in gerichtlichen Verfahren wird der "Kurze" für Mitarbeiter der Betreuungsbehörden weniger interessant sein.
Hinzu kommt die Kommentierung der bei der Vorsorge gerade im unternehmerischen Bereich wichtigen Regelungen aus dem HGB, GmbHG und AktG. Weitere für den im Bereich Vorsorgevollmachten und Betreuungen tätigen Rechtsberater wichtige Gesetze wie z.B. GBO, BeurkG, BNotO, ZPO und FamFG werden auszugsweise kommentiert, wobei sich die Auswahl der bearbeiteten Normen an den Bedürfnissen des im Vorsorge- und Betreuungsrecht tätigen Praktikers orientiert.
In der Vorauflage wurde das Thema Strafrecht recht stiefmütterlich behandelt und beschränkte sich im Wesentlichen auf die’Kommentierung von § 217 BGB und umfasste lediglich 17’Seiten. Nunmehr konnten zwei Strafrechtler als Autoren gewonnen werden, die den Umfang auf 54 Seiten erhöhen, in denen u.a. auch Aspekte wie die strafrechtliche Relevanz der Abgabe einer fehlerhaften eidesstattlichen Versicherung durch einen Betreuer oder Bevollmächtigten im Zusammenhang mit Auskunftspflichten beleuchtet werden. Ebenso werden Fragen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen und Unterbringungen aus strafrechtlicher Sicht besprochen. Der "Blick über den Tellerrand" des Zivilrechtlers hin zum Strafrecht ist gerade wegen der Brisanz der richtigen Umsetzung von Patientenverfügungen wichtig. Wer sich nicht an die Vorgaben des Gesetzes hält, kann sich leicht strafbar machen, z.B. wenn er sich bei der Umsetzung einer nicht ganz eindeutigen Patientenverfügung nicht umfassend mit dem Willen des Betroffenen auseinandersetzt und ggf. Verwandte und Bekannte zu den Wünschen des Betroffenen befragt. Die zu beachtenden zivilrechtlichen Verfahrensabläufe und die Auswirkungen derselben auf strafrechtliche Konsequenzen werden einem deutlich gemacht.
Insgesamt ist der Kommentar bestens geeignet, dem beratenden und gestaltenden Rechtsanwalt oder Notar "aus einer Hand" alle notwendigen Informationen und Hilfestellungen zu geben, um Mandanten aus dem unternehmerischen Umfeld ebenso wie Mandanten, denen es um die rein private Vorsorge geht, zu begleiten.
Als reiner Kommentar verzichtet der "Kurze" auf Formulierungsvorschläge und Formulare, was dem positiven Gesamteindruck aber nicht schmälert, da es diverse Formularbücher zum Thema gibt. Zumal eine professionelle Vorbereitung, z.B. von Vorsorgevollmachten, individuelle Gestaltungen verlangt, sodass ein Formularteil, der wenigstens auf die wichtigsten Fallgestaltungen eingeht, den Rahmen eines Handkommentars sprengen würde. Ergänzt man die eigene Bibliothek neben dem "Kurze" um ein einschlägiges Formularbuch zum Thema Vorsorge, ist man aber bestens gerüstet, um auch komplexere Fälle adäquat zu bearbeiten.
Der Kommentar besticht durch die kompakten und praxisnahen Erläuterungen, die aber – wo nötig – auch in die wissenschaftliche Tiefe gehen und damit mehr als nur einen ersten Einstieg in die Materie bieten. Fazit: Der "Kurze" kann jedem im Vorsorge- und Betreuungsrecht tätigen Juristen ebenso wie Berufsbetreuern und den Betreuungsgerichten uneingeschränkt empfohlen werden.
Björn Sendke, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht, Berlin
ZErb 10/2023, S. 397 - 398