Nähert man sich der Auslegung von der Bedeutung des Worts "zugezogen", so ist festzustellen, dass das Wort von "hinzuziehen" abstammt und als Bedeutung laut Duden hat: "zurate ziehen; in einem anstehenden Fall um sachverständige Äußerung, Behandlung oder klärende Bearbeitung bitten." Es könnte auch verstanden werden als "jemanden zusätzlich um ein Urteil bitten" bzw. "jemanden befragen".
Das Wortverständnis findet bei der Auslegung des Hinzuziehungsrechts bisher nur wenig Beachtung. In Literatur und Rechtsprechung wird, ohne einen konkreten Anhaltspunkt im Wortlaut, das "hinzugezogen werden" gleichgesetzt mit "anwesend sein". Das Wort Anwesenheit verlangt aber nach seiner Bedeutung, dass der Pflichtteilsberechtigte "aus einem bestimmten Anlass an einem Ort befindlich" ist.
Im Rahmen der Auslegung des Wortlauts ist stets auch der Kontext in den Blick zu nehmen, in dem der Gesetzgeber das Wort verwendet. Im § 2314 BGB ist dies die Aufnahme des Verzeichnisses nach § 260 BGB. Der Begriff Aufnahme meint in § 2314 BGB "etwas aufzunehmen" und bedeutet laut Duden u.a. "etwas zu tun, zu schaffen, herzustellen beginnen" sowie "aufzeichnen, schriftlich festhalten". Es könnte auch verstanden werden als "entgegennehmen" bzw. "etwas erfassen".
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Wortlaut davon spricht, dass das Recht des Pflichtteilsberechtigten "bei der Aufnahme" zu erfüllen ist. Dies verlangt nach verständiger Lesart, dass das Hinzuziehungsrecht während eines "laufenden aktiven Prozesses" stattzufinden hat. Dies korrespondiert mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses, die nicht kurzfristig erfolgt, sondern ein zeitintensives, gestrecktes Verfahren darstellt.
Nach dem Wortlaut liegt es somit nahe, das Zuziehungsrecht dahingehend zu verstehen, dass der Pflichtteilsberechtigte in die Erstellung des Nachlassverzeichnisses während des Ermittlungsprozesses zu involvieren ist, ihn ggf. zu bestimmten Ermittlungsansätzen zu seiner Meinung zu fragen, ohne dass sich der pflichtteilsberechtigte Nichterbe in diesem Fall notwendigerweise am selben Ort wie der Notar oder der Erbe befinden muss.
Der Wortlaut liefert hingegen keinen Anknüpfungspunkt für ein Recht des Pflichtteilsberechtigten auf konkrete Einwirkung im Sinne einer Weisung auf die Erstellung des Nachlassverzeichnisses, insb. auch nicht bzgl. des notariellen Verfahrens. Auch für das (vermeintliche) Recht des Pflichtteilsberechtigten, dem Erben oder dem Notar – bildlich gesprochen – über die Schulter zu schauen und somit in die dem Verzeichnis zugrunde liegenden Unterlagen Einsicht zu erlangen, bietet der vom historischen Gesetzgeber gewählte Wortlaut keine Anhaltspunkte.
Demnach ist das Zuziehungsrecht in dem Zeitraum der Ermittlung des Nachlasses relevant und nicht erst im Nachgang von den erfolgten Ermittlungen und ganz besonders nicht erst, wenn das Verzeichnis finalisiert ist.