Schließlich ist bei der Auslegung des Hinzuziehungsrechts der Sinn und Zweck der Normierung mit einzubeziehen.
Der Auskunftsanspruch gem. § 2314 Abs. 1 S. 1, 3 BGB richtet sich ausschließlich an den Erben und verlangt von diesem die eigenständige Ermittlung des vollständigen realen und, soweit vom Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht, auch des fiktiven Nachlasses. Der Notar erfüllt in diesem Zusammenhang lediglich die Funktion einer Hilfsperson des Erben, was sowohl die Ermittlungspflichten des Notars als auch die Form der Auskunft betrifft.
Das Zuziehungsrecht gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB soll dem Pflichtteilsberechtigten ein darüberhinausgehendes Mehr geben und ihn in den Vorgang einbeziehen, ohne ihm die Kontrolle über die Ermittlung des Nachlasses zu geben oder Einsicht in den Nachlass zu gewähren, der über das Nachlassverzeichnis hinausgeht.
Das Zuziehungsrecht soll mithin die nichtgegebene Involvierung des Pflichtteilsberechtigten abmildern und zudem den Pflichtteilsberechtigten in die Lage versetzen, die Qualität der erteilten Auskunft beurteilen zu können, ohne anhand von weiteren Unterlagen vertiefte Prüfungen vornehmen zu dürfen. Das Zuziehungsrecht soll aber nicht dazu führen, dass Pflichtteilsberechtigte – möglicherweise auch in missbräuchlicher Weise – an Vorbereitungshandlungen wie der Nachlassermittlung durchgehend mitwirken oder bezüglich der Erstellung des Verzeichnisses inhaltliche Auseinandersetzungen mit dem Erben oder Notar führen. Der Erbe muss laut BGH im Zweifel auch nicht selbst beim Anwesenheitstermin des Pflichtteilsberechtigten zugegen sein. Auch das KG hat bereits 1995 richtig aufgezeigt, dass die Anwesenheit des Pflichtteilsberechtigten keine Mitwirkungsrechte an der Errichtung des notariellen Nachlassverzeichnisses begründet.
Zur Erreichung des Telos des Zuziehungsrechts, die Stichhaltigkeit des Nachlassverzeichnisses überprüfen zu können, bedarf es keiner Anwesenheit des Pflichtteilsberechtigten bei der (finalen) Errichtung des Verzeichnisses; die finale Errichtung erschöpft sich aus beurkundungsrechtlichen Gründen ohnehin in der bloßen Leistung der Unterschrift des Notars. Der Inhalt des Nachlassverzeichnisses ist zu diesem Zeitpunkt längst ermittelt und im Verzeichnis aufgenommen. Außerdem bestehen keine Einsichtsrechte für den Pflichtteilsberechtigten in die Ermittlungsakten des Notars; insb. nicht zur inhaltlichen (Gegen-)Prüfung des Nachlasses. Die inhaltliche Prüfung erfolgt durch den Pflichtteilsberechtigten, wenn ihm vom Erben die Ausfertigung des Nachlassverzeichnisses vorgelegt wird; dem Pflichtteilsberechtigten steht dann die Möglichkeit der Geltendmachung von ggf. formellen Verbesserungen oder bei materiellen Mängeln das Verlangen der eidesstattlichen Versicherung offen.
Das bloße Recht auf stumme Anwesenheit bei der Unterzeichnung eines Nachlassverzeichnisses erzeugt kein Mehr an Recht. Auch eine bloße Einsicht in Ermittlungsunterlagen und Belege jeglicher Art, ohne ein Recht Kopien anfertigen zu dürfen, ist wenig zweckmäßig. Dies kann beides nicht Sinn und Zweck des Zuziehungsrechts sein. Möchte man dem Pflichtteilsberechtigten durch das Zuziehungsrecht hingegen ein Mehr an Recht geben, ohne den vorgegebenen gesetzlichen Rahmen zu sprengen, kann dies nur dadurch geschehen, indem die Einordnung des Inhalts des Zuziehungsrechts derart erfolgt, dass dieser zwischen dem bloß stummen Dabeisein bei Unterzeichnung des Verzeichnisses und der aktiven Ermittlung des Nachlasses bzw. Einsicht in Belege erfolgt.