Der Notar hat durch eine geeignete Verfahrensgestaltung dafür Sorge zu tragen, dass der pflichtteilsberechtigte Nichterbe sein Recht auf Zuziehung im Verfahren geltend machen kann, jedoch gleichzeitig die gesetzlich vorgesehenen Grenzen nicht überschreitet. Der Notar hat etwaige Nachfragen und Anregungen des pflichtteilsberechtigten Nichterben im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens zu berücksichtigen, sofern der Erbe ihn nicht anders anweist. Eine Verpflichtung, jedem (vermeintlichen) Ansatz des pflichtteilsberechtigten Nichterben nachzugehen, gibt es hingegen nicht. Maßstab für die Beurteilung durch den Notar ist stets der objektive Dritte in der Person des Pflichtteilsberechtigten und nicht die subjektive Sicht des konkret am Verfahren beteiligten Pflichtteilsberechtigten.
Konkret bedeutet dies: Der Pflichtteilsberechtigte ist (rechtzeitig) in den Ermittlungsprozess einzubeziehen, was im Zweifel die Einladung zum ersten Termin zur Errichtung des notariellen Nachlassverzeichnisses bedeuten kann, aber auch telefonisch oder per elektronischer oder postalischer Kommunikation möglich ist, sofern dieser von seinem Zuziehungsrecht Gebrauch machen will. Dieses Recht muss dem Erben gegenüber geltend gemacht worden sein. Der Notar hat darauf von sich aus nicht hinzuwirken. Dem zugezogenen Pflichtteilsberechtigten ist die Möglichkeit zu geben, zu einzelnen Vermögensgruppen Nachfragen an den Notar zu stellen bzw. weitere Ermittlungsansätze vorzuschlagen. Ein Befragen oder gar Verhören des Erben bzw. Notars durch den pflichtteilsberechtigten Nichterben sieht das Gesetz nicht vor und ist deshalb auch konsequent zu unterbinden.
Sollten der Pflichtteilsberechtigte und der Erbe in einem notariellen (Erst-)Termin beide anwesend sein, ist mit dem Notar (im Zweifel anhand eines Protokolls) die vermeintliche Zusammensetzung des Nachlasses sowie die zunächst in Betracht kommenden Ermittlungsansätze zu besprechen.
In dem anschließenden Ermittlungsverfahren, in dem der Notar als Hilfsperson des Erben die notwendigen Unterlagen zusammenträgt, wobei dies primär durch den Erben zu erfolgen hat, Angaben überprüft und Ermittlungsergebnisse auswertet, ist der Pflichtteilsberechtigte nicht beteiligt. Ein entsprechender Anspruch kann, wie dargelegt, aus dem Hinzuziehungsrecht nicht abgeleitet werden.
Der Notar wird nach pflichtgemäßem Ermessen einen zweiten Termin zur Besprechung mit dem Erben durchführen und mit ihm offene Fragen besprechen; dies ist je nach Umfang auch im Rahmen elektronsicher oder postalischer Kommunikation möglich.
Auch zu einem Besprechungstermin könnte der pflichtteilsberechtigte Nichterbe (rechtzeitig) eingeladen werden, damit er ergänzende Fragen an den Notar stellen und sich einen Eindruck von dem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und der notwendigen Sorgfalt bei der Errichtung des Verzeichnisses verschaffen kann. Dies ist aber selbstverständlich im Vorfeld mit dem Erben abzusprechen und kann nur mit dessen Einverständnis erfolgen. Dies ist nicht Bestandteil des Zuziehungsrechts, wie es vorstehend herausgearbeitet wurde. Möchte ein Erbe mit einem Pflichtteilsberechtigten nicht zusammentreffen oder soll der vom Erben beauftragte Notar mit dem Pflichtteilsberechtigten über die Ermittlungen etc. nicht sprechen, hat der Notar dies zu beachten.
Sind die in Betracht kommenden Ermittlungsansätze erschöpft und die Ermittlungen des Notars abgeschlossen, hat der Notar dem Erben den Entwurf des notariellen Verzeichnisses zur Prüfung zu übersenden. In dem Entwurf sind auch die vom Pflichtteilsberechtigten vorgeschlagenen Ermittlungen und der Umgang mit diesen Vorschlägen sowie die Ergebnisse der dadurch eingeleiteten Ermittlungen zu dokumentieren.
Dem Erben bzw. dessen Bevollmächtigten sind auf Anforderung die Ermittlungsunterlagen zugänglich zu machen, da der Erbe nur auf ihrer Grundlage die Angaben des Notars auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit überprüfen kann. Die Zugänglichmachung erfolgt entweder durch Einsicht in den Räumen des Notars, Übersendung von Kopien oder der Bereitstellung der digitalisierten Unterlagen in der Cloud (Datenraum) oder mittels Übergabe eines Datenträgers. Die dafür entstehenden Kosten hat der Erbe zu tragen. Die Ermittlungsakten haben als Nebenakten des Notars vollständig bei diesem zu verbleiben.
Eine Übersendung des Entwurfs an den Pflichtteilsberechtigten durch den Notar scheidet aus, es sei denn, der Erbe hat den Notar hierzu ausdrücklich beauftragt.
Ob der Erbe den Pflichtteilsberechtigten in die Überprüfung des Entwurfs einbinden möchte, obliegt allein dem Erben. Dem Pflichtteilsberechtigten steht kein "Blick über die Schulter" des Erben bzw. des Notars in die (notariellen) Ermittlungsakten und sonstige (notariellen) Nebenakten zu, da feststeht, dass inhaltliche Mängel des Nachlassverzeichnisses für den Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht feststehen müssen (§ 260 Abs. 2 BGB) und dem pflichtteilsberechtigten Nichterben aus dem Zuziehungsrecht des § 2...