Vorsorgevollmacht des Familien-Unternehmers – Teil I: Personengesellschaften
Die Vorsorgevollmacht hat sich als ein unverzichtbares Instrument zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit von Familienunternehmen etabliert. Die rechtlichen Anforderungen und die Ausgestaltungsmöglichkeiten sind jedoch je nach Gesellschaftsform unterschiedlich, was eine differenzierte Betrachtung erforderlich macht. Dieser Beitrag will die wesentlichen Eckpunkte für GbR, oHG und KG skizzieren.
I. Innenverhältnis
In Personengesellschaften wie der GbR, OHG und KG sind die Gesellschafterrechte eng mit der Person des jeweiligen Gesellschafters verbunden.
Deshalb sind zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen nur Gesellschafter höchstpersönlich berechtigt. Folglich ist eine Vertretung grundsätzlich nicht möglich. Ohne gesellschaftsvertragliche Regelung kann aber auch eine Ad-Hoc-Zulassung eines Bevollmächtigten erfolgen. Zudem können die Treuepflichten der Gesellschafter, insb. in der Situation des Vorsorgefalls, zu einer Zulassung eines Bevollmächtigten verpflichten. Gesetzliche Vertreter wie bspw. Betreuer gem. § 1814 BGB sind zur Teilnahme und Stimmausübung gesetzlich berechtigt. Familienfremde Betreuer sind aber ungerne, insb. auf Gesellschafterversammlungen, gesehen, nicht zuletzt aufgrund des steten Abstimmungs- und Informationserfordernisses des Betreuungsgerichts.
Im Gesellschaftsvertrag sollte aufgrund des Vorstehenden geregelt werden, dass sich Gesellschafter in Gesellschafterversammlungen vertreten lassen dürfen. I.d.R. erfolgt dies derart, dass die Vertretung durch einen Mitgesellschafter oder einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Angehörigen der rechts-, wirtschafts- oder steuerberatenden Berufe zu erfolgen hat. Hierbei muss jedoch das Abspaltungsverbot beachtet werden, welches sicherstellt, dass Mitgliedschaftsrechte nicht ohne Weiteres von der Person des Gesellschafters getrennt und auf Dritte übertragen werden können (§ 711a S. 1 BGB). Dieses Verbot dient dem Schutz der Gesellschaftsstruktur, indem es verhindert, dass Rechte und Pflichten, die untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden sind, isoliert übertragen werden.
II. Außenverhältnis
Die Vertretung der Personengesellschaft im Außenverhältnis unterliegt der sog. Selbstorganschaft, die besagt, dass die organschaftlichen Befugnisse einer Gesellschaft von den Organen der Gesellschaft wahrgenommen werden müssen und nicht delegierbar sind.
Für die GbR sind gem. § 720 Abs. 1 BGB alle Gesellschafter gesamtvertretungsbefugt; es sei denn, der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes. Für die oHG und die Komplementäre der KG gilt gem. § 124 Abs. 1 HGB, dass zur Vertretung der Gesellschaft jeder Gesellschafter einzelvertretungsbefugt ist, wenn er nicht durch den Gesellschaftsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen ist. Kommanditisten sind gem. § 170 Abs. 1 HGB von der organschaftlichen Vertretung ausgeschlossen. Im Außenverhältnis ist die Gesellschaft deshalb immer zumindest von einem persönlich haftenden Gesellschafter zu vertreten (§ 720 Abs. 1 BGB, § 124 Abs. 1 HGB). Eine Beschränkung dessen ist mit Wirkung gegenüber Dritten nicht möglich (§ 720 Abs. 3 S. 2 BGB, § 124 Abs. 4 S. 2 HGB). Die Notgeschäftsführung ist in § 715a BGB i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 116 Abs. 4 HGB geregelt und erlaubt auch nichtgeschäftsführenden Gesellschaftern ausnahmsweise die Geschäftsführung, wenn ein Aufschub Gefahr für die Gesellschaft und/oder das Gesellschaftsvermögen verursachen könnte.
Die Vertretung einer Personengesellschaft kann folglich besondere Herausforderungen verursachen, wenn der Gesellschafter, der die Gesellschaft normalerweise (ggf. sogar ausschließlich alleine) vertritt, geschäftsunfähig wird. In solchen Fällen könnte ein Bevollmächtigter Aufgaben der Geschäftsführung zwar übernehmen, jedoch unterliegt dies Einschränkungen wegen des Grundsatzes der Selbstorganschaft. Die rechtliche Zulässigkeit einer organersetzenden Vollmacht, bei der ein Bevollmächtigter faktisch die Geschäftsführung gänzlich übernimmt, ist daher problematisch und wird von der Rechtsprechung kritisch gesehen.
Praxishinweis:
Die Vorsorgevollmacht ist ein unverzichtbares Mittel zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit von Familienunternehmen. Bei Personengesellschaften sind insofern aber das Abspaltungsverbot und die Selbstorganschaft zu beachten. Notwendig ist daher eine sorgfältige Gestaltung des Innen- und Außenverhältnisses im Gesellschaftsvertrag, die die spezifischen Anforderungen des Personengesellschaftsrechts im Fall der Geschäftsunfähigkeit der Gesellschafter berücksichtigt. Für das Außenverhältnis sollte zudem flankierend mit Prokura, Generalhandlungsvollmacht und Registervollmacht die Handlungsfähigkeit abgesichert werden.
Autor: Dr. Nils Außner, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Erbrecht, Oberursel (Taunus)
ZErb 10/2024, S. 376 - 377