I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob vorliegend die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit nach der EuErbVO gegeben ist.
Der am … 1955 geborene Erblasser, ein deutscher Staatsangehöriger, ist am 10.10.2023 in einem Pflegeheim in Polen verstorben. Zuvor lebte er zusammen mit der Beteiligten, seiner (zweiten) Ehefrau, in der Z-Straße in … G (bzw. verschiedenen Pflegeheimen in Deutschland). Der Erblasser verstarb kinderlos.
Im Mai 2022 machte sich bei dem Erblasser eine zunehmende Demenz bemerkbar, die ihn zu einem Pflegefall machte. Nachdem eine häusliche Betreuung nur noch schwer bewerkstelligt werden konnte, wurde der Erblasser zunächst ab Ende Juni 2022 in verschiedenen Pflegeheimen in Deutschland versorgt. Ab dem 1.4.2023 lebte der Erblasser in einem Pflegeheim in Polen. Nach seiner aktiven Berufstätigkeit bezog der Erblasser Bezüge in Form einer Rente i.H.v. ca. 192 EUR pro Monat zuzüglich Pflegegeld i.H.v. ca. 1.861,92 EUR pro Monat. Der Erblasser hatte kein Vermögen in Polen, sein gesamtes Vermögen – maßgeblich bestehend aus einem Immobilien- und einem Gesellschaftsanteil – befand sich in G, er sprach kein Polnisch und hatte familiäre sowie soziale Verbindungen allein nach Deutschland. Der Erblasser wurde von seiner Ehefrau gegen bzw. ohne seinen Willen in dem Pflegeheim in Polen untergebracht.
Mit öffentlicher Urkunde der Notarin Dr. S vom 14.3.2024, Urkundenverzeichnis UVZ … , UZ … , stellte die Beteiligte gegenüber dem AG – Nachlassgericht – Singen einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, wonach sie von dem Erblasser allein beerbt worden ist.
Das AG – Nachlassgericht – Singen hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten mit Beschl. v. 7.5.2024 mangels internationaler Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO zurückgewiesen.
Gegen diesen der Beteiligten am 8.5.2024 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 28.5.2024.
Das AG hat der Beschwerde mit Beschl. v. 28.5.2024 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beteiligte hat die Beschwerde mit Schriftsatz vom 2.7.2024 begründet. Dort wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Erblasser entgegen der Auffassung des AG seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach wie vor i.S.d. Art. 4 EuErbVO in G hatte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beteiligten ist begründet.
Entgegen der Auffassung des AG – Nachlassgericht – Singen ist die deutsche Gerichtsbarkeit vorliegend nach Art. 4 EuErbVO zur Erteilung des Erbscheins international zuständig, da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne dieser Norm in Deutschland hatte. Örtlich zuständig ist das AG Singen. Daher ist der Beschluss des AG – Nachlassgericht – Singen aufzuheben und die Sache gem. § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG an das AG Singen zurückzuverweisen.
1. Nach Art. 4 EuErbVO ist die deutsche Gerichtsbarkeit zur Entscheidung über den beantragten Erbschein international zuständig.
a) Die internationale Zuständigkeit in Erbsachen für Erbfälle mit Auslandsbezug ab dem 17.8.2015 ergibt sich grundsätzlich aus Art. 4 ff. EuErbVO i.V.m. § 97 FamFG. Die EuErbVO ist ein europäischer Rechtsakt, der Vorrang vor den Vorschriften des FamFG hat (OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.2019 – I-15 W 488/17, juris Rn 3).
Nach Art. 4 EuErbVO sind für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist unionsautonom auszulegen (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, EuErbVO, Stand: 1.12.2023, Art. 4 Rn 19; Dutta/Weber/Lein, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2021, Art. 4 EuErbVO Rn 9; MüKo-BGB/Dutta, 9. Aufl. 2024, Art. 4 EuErbVO Rn 3 m.w.N.). Bei der Auslegung sind die Erwägungsgründe 23 und 24 der EuErbVO zu berücksichtigen, aus denen folgt, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers von der mit der Erbsache befassten Behörde anhand einer Gesamtbeurteilung der Umstände des Einzelfalls in einem einzigen Mitgliedstaat festzulegen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 16.7.2020 – C-80/19, juris Rn 40). Zu berücksichtigen sind im Einzelfall die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts, Umstände und Gründe für die Präsenz im betreffenden Staat (Erwägungsgrund 23 S. 2 der EuErbVO), der Wille des Erblassers, in dem Staat den ständigen und gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen zu begründen und dem Aufenthalt Beständigkeit zu verleihen, familiäre und soziale Bindungen, gegebenenfalls die Begründung der’Staatsangehörigkeit des Staats (Erwägungsgrund 24 S. 4), die’Belegenheit der wesentlichen Vermögensgegenstände im Staat sowie die Sprachkenntnisse des Erblassers (vgl. zum Ganzen: BeckOGK/J. Schmidt, a.a.O., Art. 4 Rn 21 bis 27; MüKo-BGB/Dutta, Art. 4 Rn 4 m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.11.2020 – I-3 Wx 138/20, juris Rn 22; OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.9.2020 – 21 W 59/20, j...