Leitsatz
1. In einem handschriftlichen Testament ist ein unterhalb der Unterschrift später angebrachter Zusatz, der die ursprüngliche Verfügung an eine Bedingung knüpft, ohne erneute Unterschrift formunwirksam.
2. Für den Nachweis eines urkundlich nicht mehr vorhandenen Testaments sind Äußerungen des Testators gegenüber Bedachten oder Dritten regelmäßig nicht ausreichend.
OLG München, Beschluss vom 13. September 2011 – 31 Wx 289/11
Sachverhalt
Der Erblasser ist im Juni 2010 im Alter von 67 Jahren verstorben. Die Beteiligten zu 2 bis 5 sind seine Kinder aus der ersten Ehe, die im Juni 2008 geschieden worden war. Seit dem 25.3.2009 war er mit der Beteiligten zu 1 verheiratet, mit der er bereits seit Jahren zusammengelebt hatte. Der Beteiligte zu 2 hält die Eheschließung wegen Geschäftsunfähigkeit des Erblassers für unwirksam. Ende 2008/Anfang 2009 wurde der Erblasser wegen einer schweren Depression stationär behandelt. Nach einer erneuten stationären Aufnahme im April 2009 wurde eine Betreuung angeordnet.
Es liegt ein handschriftliches Testament vor, das wie folgt lautet:
Zitat
"Testament* Ich, (Erblasser) setze zu meiner alleinigen unbeschränkten Erbin meine Lebenspartnerin (Beteiligte zu 1), gleichviel ob und wieviele Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind. (Ort), 01/02/2007 (Unterschrift)"
Auf dem unter der Unterschrift verbleibenden Raum von ca. zwei Zentimetern auf dem DIN A 4-Blatt sind folgende zwei Zeilen hinzugesetzt:
Zitat
"Voraussetzung: (Die Beteiligte zu 1) hat das gleiche Testament für mich geschrieben. Köln-Weiden, den 17/12/2007"
Auf der Rückseite ist vermerkt:
"Das Testament ist zur Zeit nicht gültig. Bis heute 05/03/07 hat meine Lebensgefährtin kein Testament – wie ich es verfasst * habe – umgekehrt geschrieben."
Weder die beiden untersten Zeilen auf der Vorderseite noch der Zusatz auf der Rückseite sind unterschrieben. Die Beteiligte zu 1 hat ein auf den 1.2.2007 datiertes handschriftliches Testament vorgelegt, in dem sie den Erblasser zu ihrem Alleinerben eingesetzt hat. Der Text dieses Testaments sowie die Überschrift und die Unterschrift sind mit einem anderen Stift durchgestrichen.
Die Beteiligte zu 1 beantragte, gestützt auf das Testament vom 1.2.2007, einen Erbschein als Alleinerbin. Der Zusatz auf der Vorderseite sei nicht unterschrieben und deshalb formunwirksam, im Übrigen habe sie die Bedingung erfüllt. Die Beteiligten zu 2 bis 5 sind dem Antrag entgegengetreten. Die Unterschrift des Erblassers beziehe sich auch auf den nicht gesondert unterschriebenen Zusatz auf der Vorderseite; das habe der Erblasser mit dem Sternchen deutlich gemacht. Die Beteiligte zu 1 habe die Bedingung nicht erfüllt, denn aus dem Zusatz auf der Rückseite ergebe sich, dass der Erblasser ein gleichlautendes Testament von ihr nicht erhalten habe. Außerdem sei er testierunfähig gewesen; er habe im Dezember 2006 einen Schlaganfall erlitten und sei Ende 2008 wegen einer schweren Depression und eines Suizidversuchs in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden.
Die Beteiligte zu 4 trug mit Schreiben vom 16.9.2010 vor, ihr Vater habe ihr etwa im Spätsommer 2008 anvertraut, dass er "in der Vergangenheit"– einen genauen Zeitpunkt habe er nicht genannt – ein Testament allein zugunsten seiner vier Kinder geschrieben habe, das die Beteiligte zu 1 später gefunden und in rasender Wut zerrissen habe. Das habe der Erblasser im März 2009 dem Beteiligten zu 3 anvertraut und im April 2009 nochmals im Beisein von dreien seiner Kinder erzählt. Der Beteiligte zu 2 erklärte mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 17.10.2010 die Anfechtung des Testaments wegen Irrtums und Drohung. Der Erblasser habe sich das schändliche Verhalten der Beteiligten zu 1 – die ihn missbraucht und kontrolliert habe – nicht vorstellen können. Sie habe ihn durch Drohung und Erpressung daran gehindert, ein neues Testament zu errichten. Nach Hinweis des Nachlassgerichts präzisierten die Beteiligten zu 2, 3 und 4 ihre Angaben zu dem nicht mehr vorhandenen Testament dahin, dass das Gespräch mit der Beteiligten zu 4 im August 2008, mit dem Beteiligten zu 3 am 23.3.2009 und mit den Beteiligten zu 2 bis 4 im April 2009 stattgefunden habe. Der Beteiligte zu 3 schilderte mit Schreiben vom 14.2.2011, der Erblasser habe ihm am 23.3.2009 erzählt, "im letzten Jahr" ein Testament geschrieben zu haben, in dem nur die Kinder begünstigt seien. Im April 2009 habe er im Beisein der Beteiligten zu 2–4 berichtet, die Beteiligte zu 1 habe vor einiger Zeit seine Unterlagen durchwühlt und sei dabei "auf das von ihm handschriftlich verfasste Testament" gestoßen, das er "im Jahr 2008 aufgesetzt" gehabt habe; darin habe er seine vier Kinder als alleinige Erben eingesetzt. Rasend vor Wut habe die Beteiligte zu 1 das Testament zerrissen.
Die Beteiligte zu 1 bestritt, dass ein solcher Vorfall stattgefunden habe, und verwies darauf, dass es für den Erblasser ein Leichtes gewesen wäre, das Testament vom 1.2.2007 zu vernichten, weil sich dieses in seinen Unterlagen befunden habe.
Das Nachlassgericht holte...