Leitsatz
Es liegt keine wesentliche Weiternutzung des verschenkten Gegenstands vor, der die Ausschlussfrist des § 2325 Absatz 3 BGB hindern würde, wenn das im Übergabevertrag vorbehaltene Wohnungsrecht für die Übergeberin nur ca. 11 % der Gesamtfläche des verschenkten Gegenstands ausmacht.
Landgericht Rottweil, Urteil vom 21. April 2011 – 3 O 83/10 (rechtskräftig)
Sachverhalt
Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht gegenüber den Beklagten einen Wertermittlungsanspruch geltend. Die Klägerin ist Alleinerbin des am xxx 2010 verstorbenen ursprünglichen Klägers A (vgl. Erbvertrag vom xxx).
Am 1. Januar 2008 verstarb die Mutter des verstorbenen Ehemanns der Klägerin und der Beklagten, Frau Ida R., zuletzt wohnhaft in xxx. Erben zu je ein Viertel wurden die Beklagten (vgl. Eröffnungsniederschrift des Notariats xxx mit Anlagen).
Bereits am 12.1.1994 schloss die Erblasserin mit ihrem weiteren Sohn Norbert R. einen Übergabevertrag (vgl. Urkunde des Notariats xxx Urkundenrolle xxx). Übergeben wurden das im Grundbuch von L. eingetragene Grundstück xxx, Flurstück xxx (Gebäude- und Freifläche), sowie die sämtlichen Aktiven und Passiven des vom Veräußerer bislang in Gebäude Nr. xxx betriebenen Schreinereigeschäfts (vgl. § 1 des Übergabevertrages). Im Gegenzug wurde der Erblasserin ein lebenslängliches unentgeltliches Leibgeding eingeräumt (vgl. § 3 des Übergabevertrages).
§ 3 des Übergabevertrags hat u. a. folgenden Wortlaut:
" Aufgrund entsprechenden Vorbehalts des Veräußerers räumt der Erwerber dem Veräußerer ein lebenslängliches unentgeltliches Leibgeding ein, bestehend in "
1. einem Wohnungsrecht in der gesamten abgeschlossenen Wohnung im 1. Obergeschoss des Geb. Nr. xxx, bestehend aus vier Zimmer, Küche, Bad, WC. Dieses Wohnungsrecht umfasst die alleinige Nutzung der genannten Räume unter Ausschluss des Eigentümers. Mit dem Wohnungsrecht verbunden ist das Recht auf ungestörten Ein- und Ausgang im Wohnhaus und die Mitbenützung aller zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Räume, Einrichtungen und Geräte, insbesondere des Speichers und des Kellers sowie die Mitbenützung der vorhandenen Doppelgarage zur Unterstellung eines Personenkraftwagens, jeweils nach Maßgabe der Bedürfnisse des Übergebers. Die Kosten der Schönheitsreparaturen in den vom Wohnungsrecht betroffenen Räumen im 1. Obergeschoss des Geb. Nr.xxx sowie die Kosten der Versorgung dieser Räume mit Heizwärme, Strom und Wasser und die Kosten der Abwasserbeseitigung hat die Wohnungsberechtigte allein zu tragen.
2. der Verpflichtung zur vollen Verköstigung der Berechtigten am Tisch des Verpflichteten. …
3. die Verpflichtung zur Betreuung und Pflege der Berechtigten bei Alter und Krankheit. …“
Die von der Erblasserin genutzte Wohnung hatte ca. 120 bis 125 m². In § 4 des Übergabevertrags verpflichtete sich der Erwerber weiterhin als Gegenleistung zur Zahlung von monatlich 2.000,00 DM ab 1. Januar 1994 an die Erblasserin.
Auf den weiteren Inhalt des Übernahmevertrags wird Bezug genommen. Weiterhin wurde zur gleichen Urkunde ein Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen. Der Übernehmer verzichtete hierbei für sich und seine Abkömmlinge gegenüber seiner Mutter auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht (C § 1) und auf ein Geldvermächtnis des bereits 1976 verstorbenen Vaters (C § 2). Die Eigentumsänderung wurde am 11.5.1994 im Grundbuch eingetragen.
Die Erblasserin nahm das ihr eingeräumte Wohnungsrecht im 1. OG und die weiteren vom Übernehmer übernommene Verpflichtung wahr. Bereits zu Lebzeiten der Mutter bewohnte der Übernehmer Norbert R. das UG, das EG sowie die Räume im 2. OG und im DG.
Die Beklagten haben das Begehren des vormaligen Klägers auf Einholung eines Wertermittlungsgutachtens in Bezug auf das dem Sohn Norbert R. übergebene Grundstück mit Gebäude vorgerichtlich abgelehnt.
Die Klägerin behauptet, der Übergabevertrag stelle eine gemischte Schenkung dar. Die 10-Jahres-Frist sei aufgrund des Umstands, dass die Erblasserin die ihr notariell übernommenen Verpflichtungen wahrgenommen hat, nicht abgelaufen.
(...)
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht aus übergangenem Recht kein Wertermittlungsanspruch gem. § 2314 BGB analog iVm § 2325 BGB zu.
Ein Anspruch gem. § 2314 BGB auf Wertermittlung (vgl. insoweit BGH NJW 1984, 487) besteht nur dann, wenn dargelegt und bewiesen ist, dass der übertragene Gegenstand zum fiktiven Nachlass gehört. Dies ist u. a. nur dann der Fall, wenn, unterstellt es würde eine zumindest gemischte Schenkung vorliegen, die 10-Jahres-Frist gem. § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB noch nicht abgelaufen ist, was vorliegend jedoch der Fall ist.
Gem. § 2325 Abs. 2 BGB sind Schenkungen des Erblasser dann nicht mehr zu berücksichtigen, wenn seit der Leistung 10 Jahre verstrichen sind. Für den Leistungsbeginn kommt es auf den Eintritt des Leistungserfolges, also bei Grundstücken regelmäßig auf den Zeitpunkt der grundbuchmäßigen Umschreibungen an. Verbleibt indessen die Nutzung des übertragenen Gegenstands im Wesentlichen beim Übertragenden, so beginnt die Frist erst mit Wegfall de...