Im Gegensatz zum Amtsgericht Schwabach gelangt das OLG Nürnberg zu dem Ergebnis, dass die Ehefrau des Erblassers ihre im gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen wirksam widerrufen hat und deshalb gesetzliche Erbfolge nach dem Erblasser eingetreten ist.
Zuzustimmen ist dem OLG in der vorliegenden Entscheidung dabei insoweit, als die Wechselbezüglichkeit der widerrufenen Verfügungen der Ehefrau anhand vorbildlicher Auslegung ihrer letztwilligen Verfügungen ohne Rekurs auf die Zweifelsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB bejaht wird. Ebenfalls beizupflichten ist dem Befund, dass es für die Wirksamkeit des Widerrufs dem Grunde nach nicht darauf ankam, ob der Erblasser zu diesem Zeitpunkt noch geschäfts- bzw. testierfähig war. Dies entspricht nicht nur der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, sondern kann auch durch stichhaltige Argumente als richtig belegt werden: Zwar besteht der eigentliche Sinn und Zweck des § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB darin, dass der die Widerrufserklärung empfangende Ehegatte in die Lage versetzt wird, seinerseits auf die gem. § 2270 Abs. 1 BGB durch den Widerruf bedingte Unwirksamkeit auch seiner testamentarischen Verfügungen zu reagieren und der veränderten Sachlage entsprechende Verfügungen zu treffen (vgl. hierzu auch BGH NJW 1953, 938; NJW 1959, 1730) – eine Möglichkeit, die für einen testierunfähigen Ehegatten faktisch nicht mehr besteht. Der Wirksamkeit eines Widerrufs gegenüber einem testierunfähigen Ehegatten steht diese fehlende faktische Reaktionsmöglichkeit indes nicht entgegen (aA die Mindermeinung von Damrau/Bittler ZErb 2004, 77, 78 ff).
Bereits der Wortlaut des § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB nennt als einzigen Erlöschensgrund für das Widerrufsrecht eines widerrufswilligen Ehegatten den Tod des anderen Ehegatten und nicht etwa den Eintritt von dessen Testierunfähigkeit, sodass einer erweiternden Auslegung bereits der eindeutige Wortlaut der Norm entgegen steht.
Noch bedeutender aber fallen – vom OLG als solche nicht bezeichnete – verfassungsrechtliche Erwägungen ins Gewicht. Wollte man ein Erlöschen des Widerrufsrechts des widerrufswilligen Ehegatten bereits ab dem Eintritt der Testierunfähigkeit des anderen Ehegatten mit den oben genannten teleologischen Erwägungen annehmen, so würde dem widerrufswilligen Ehegatten das zu Lebzeiten beider Ehegatten nach dem Gesetz bestehende Widerrufsrecht entzogen und damit in die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Testierfreiheit eingegriffen. Ein derartiger Grundrechtseingriff ist auch nicht etwa durch die bereits faktisch bestehende Testierunfähigkeit des geschäftsunfähigen Ehegatten zu rechtfertigen. Diese ist vielmehr als "unabänderliches Schicksal" (so Litzenburger FD-ErbR 2013, 348218) dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen, während ein Entzug der Widerrufsmöglichkeit des anderen Ehegatten eine Grundrechtsverletzung durch eine überdehnende Auslegung des § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB darstellen würde.
Zur Untermauerung des gefundenen Ergebnisses bemüht das OLG schließlich noch die systematische Erwägung, dass bei ähnlicher Interessenlage mit § 2282 Abs. 2 BGB die Möglichkeit der Lösung vom Erbvertrag auch bei Geschäftsunfähigkeit eines Vertragsschließenden ausdrücklich zugelassen sei. Dies vermag nur bedingt zu überzeugen, ist bei der Anfechtungsmöglichkeit des § 2282 Abs. 2 BGB doch gerade die Geschäftsunfähigkeit des Anfechtenden vorausgesetzt, nicht diejenige des anderen Vertragsteils.
Von der Problematik, ob im Falle der Geschäfts- und Testierunfähigkeit des anderen Ehegatten überhaupt noch ein Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments in Betracht kommt, ist die Frage zu unterscheiden, welche Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf eingehalten werden müssen. Der Umstand, dass die Widerrufserklärung gem. § 131 Abs. 1 BGB wegen der Testierunfähigkeit des Erblassers den Zugang beim Betreuer als dessen gesetzlichen Vertreter erforderte und eine Bestellung eines Betreuers für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge dabei erforderlich, aber auch hinreichend ist, wird vom OLG unter Bezugnahme auf die insoweit herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum anschaulich dargelegt.
Nicht vollumfänglich zu überzeugen vermag indes der Befund des OLG, dass die Tochter aufgrund ihrer Bestellung zur Ersatzbetreuerin als gesetzliche Vertreterin des Erblassers die Widerrufserklärung der Ehefrau wirksam entgegen nehmen konnte.
Überzeugend ist insoweit noch, dass das OLG entgegen der Ansicht des AG Schwabach die Bestellung der Tochter als "Ersatzbetreuerin" für eine grundsätzlich mögliche Empfangszuständigkeit einer Widerrufserklärung genügen lässt, da das Tatbestandsmerkmal der Verhinderung in § 1899 Abs. 4 BGB nicht zwischen tatsächlicher und rechtlicher Verhinderung unterscheidet. Da die Ehefrau als Hauptbetreuerin gem. §§ 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1, 181 BGB an der Vertretung ihres Ehemannes zum Empfang der Willenserklärung gehindert war, weil ein unzulässiges In-sich-Geschäft v...