1. Bei Schenkungen stellt sich die Frage, inwieweit Pflegeleistungen als bereicherungsmindernde Gegenleistung dem Grunde und der Höhe nach berücksichtigt werden können. Besteht die Leistungsverpflichtung der pflegenden Person bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabevertrags – sog. synallagmatische Verknüpfung –, ist davon auszugehen, dass diese Leistungsverpflichtung bei der Ermittlung der Bereicherung zu berücksichtigen ist.
Eine Entgeltlichkeit kann auch dann vorliegen, wenn das Rechtsgeschäft keine Gegenleistung im Rechtsinne vorsieht, also die Zuwendungsurkunde keine gegenläufige Leistungsverpflichtung des Erwerbers enthält. Der BGH hat ausdrücklich nochmals betont, dass es genügt, wenn die Zuwendung Geschäftsgrundlage für eine gleichwertige Leistung des Empfängers ist, also eine "kausale Verknüpfung" vorliegt. Besteht keine Leistungsverpflichtung und hat die pflegende Person dennoch Pflegeleistungen schon vor dem Tag des Abschlusses des Übergabevertrags erbracht, liegt hingegen keine berücksichtigungsfähige Gegenleistung vor.
2. Pflegeleistungen, die einer Schenkung vorangehen, sind nur ausnahmsweise Gegenleistungen, und zwar dann, wenn sie mit der späteren Zuwendung im Rahmen eines vertraglich begründeten Gegenseitigkeitsverhältnisses (synallagmatisch) oder aber durch Setzung einer Bedingung (konditional) oder einen entsprechenden Rechtszweck (kausal) verknüpft sind.
Dies gilt auch für Dienstleistungen in Form von Pflegeleistungen, und zwar unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Zuwendung erbracht werden. Erfolgt die Zuwendung nachträglich, können die bereits erbrachten Dienstleistungen dennoch als Gegenleistung zu werten sein, wenn sie sich als Vorausleistungen des Zuwendungsempfängers darstellen, die durch die Zuwendung entlohnt werden.
Nicht ausreichend ist jedoch, wenn für die Vorausleistungen des Zuwendungsempfängers, für die zunächst kein Entgelt vorgesehen war, erst nachträglich ein Entgelt vereinbart oder tatsächlich geleistet wird. Eine die Vorausleistung nachträglich "ohne rechtliche Verpflichtung" ausgleichende Zuwendung unterliegt als "Belohnung" iSd § 7 (4) ErbStG der Schenkungsteuer.
Aber auch wenn der Vermögensinhaber sich zuvor nicht konkret zur Vermögensübergabe verpflichtet hatte oder verpflichten konnte, kann diese als Entgelt für erbrachte Vorausleistungen gewertet werden.
Denn es soll genügen, dass eine generelle Entgeltspflicht wirksam zwischen den Parteien vereinbart ist und die Erfüllung dieser Verpflichtung durch Zuwendung eines bestimmten Vermögensgegenstandes in Aussicht genommen wird.
Fazit: Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist eine Pflegeverpflichtung steuerlich als Last zu berücksichtigen, wenn ein Pflegefall tatsächlich eingetreten ist und eine Pflegleistung erbracht wird. Bei der Schenkungsteuer liegt ab diesem Zeitpunkt eine gemischte Schenkung vor.
3. Da der Grundstückserwerber allerdings erst im Bedarfsfall zur Pflege des Berechtigten verpflichtet ist, liegt insoweit eine aufschiebend bedingte Last vor, die nach § 6 Abs. 1 BewG vor Eintritt der Bedingung nicht zu berücksichtigen ist. Die Pflegeleistungen sind mit ihrem Kapitalwert im Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalls zu bewerten (§ 6 Abs. 1 BeweG). Dieser ist auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) abzuzinsen. Der Vervielfältiger für die Abzinsung ist der Tabelle 1 der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.2010 zu entnehmen.
Liegt eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 15 SGB XI vor, kann bei der Bewertung der Pflegeleistung als Jahreswert – soweit sich kein anderer Anhaltspunkt aus den getroffenen Vereinbarungen ergibt – das Zwölffache der in der gesetzlichen Pflegeversicherung vorgesehenen monatlichen Pauschalvergütung bei Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen (§ 36 Abs. 3 SGB XI) angesetzt werden.
Sie beträgt ab 1. Januar 2012 bei
Pflegestufe I |
EUR 450,– |
Pflegestufe II |
EUR 1.100,– |
Pflegestufe III |
EUR 1.550,– |
Allerdings sind diese Beiträge zu kürzen, soweit Sachleistungen durch professionelle Pflegekräfte in Anspruch genommen werden oder die pflegebedürftige Person Pflegegeld aus der Pflegeversicherung oder einer Pauschalbeihilfe nach den Beihilfevorschriften erhält und dieses zu Lebzeiten an die verpflichtete Pflegeperson weitergibt, wobei die Weitergabe selbst nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 a ErbStG steuerfrei ist.
Der am 5.5.1932 geborene A überträgt am 1.2.2004 ein Grundstück an B, der sich verpflichtet, A im Bedarfsfalle zu pflegen. Zum Zeitpunkt der Ausführung der Grundstücksübertragung bleibt die Pflegeverpflichtung außer Ansatz. Der Pflegefall tritt am 1.2.2014 ein. A erfüllt die Voraussetzungen der Pflegestufe I.
Der Kapitalwert der Pflegeverpflichtung ist zum Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalles zu ermitteln. Die Berechnung erfolgt nach § 14 Abs. 1 S. 4 BewG.
Grundbesitzwert |
EUR 600.000 |
Gegenleistung: Jahreswert EUR 440 x 12 = EUR 5.280
Kapitalwert = Jahreswert x Vervielfältiger (§ 14 Abs. 1 S...