Die Argumentation des BGH ist in diesem Punkt nicht einfach nachvollziehbar. Der BGH wählt als Ausgangspunkt für seine Prüfung Art. 83 Abs. 2 EUErbVO, der ergänzende Sonderregeln für die Wirksamkeit einer vor dem 16. August 2015 getroffenen Rechtswahl aufstellt. Da der vom BGH herangezogene Art. 83 Abs. 2 Fall 1 EUErbVO (für die Rechtswahl) wie Art. 83 Abs. 3 Fall 1 EUErbVO (für die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen) die Geltung des allgemeinen Grundsatzes von Art. 83 Abs. 1 EUErbVO bestätigt, ergibt sich hier im Ergebnis kein Unterschied zur unmittelbaren Anwendung von Art. 83 Abs. 1 EUErbVO.
Es bleibt dennoch das Geheimnis des BGH, wieso er für die Prüfung der Wirksamkeit des 1998 beurkundeten Erbvertrags Art. 83 Abs. 2 EUErbVO heranzieht, der ausschließlich die Wirksamkeit einer vor dem 16. August 2015 getroffenen Rechtswahl betrifft und nicht den Absatz 3, der die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen regelt.
Zutreffend hat der BGH hier angenommen, Art. 83 Abs. 2 EUErbVO betreffe auch eine funktionell auf die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrages beschränkte Rechtswahl iSv Art. 25 Abs. 3 EUErbVO (sog. Teilrechtswahl). Die Gegenansicht, wonach für die Wirksamkeit der Teilrechtswahl ausschließlich der für die Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen maßgebliche Art. 83 Abs. 3 EUErbVO gelte, findet weder im Verordnungstext eine Grundlage, noch lässt sie sich durch systematische Gründe oder sachliche Erfordernisse begründen.
Problem ist aber im vorliegenden Fall, dass die Erbvertragsbeteiligten gar keine Teilrechtswahl iSv Art. 25 Abs. 3 EUErbVO vereinbart haben. Sie haben erklärt, dass "hinsichtlich aller Regelungen über ihr Erbrecht bzw. das Erbrecht jedes einzelnen ausschließlich das deutsche Erbrecht gelten solle". Damit haben sie die umfassende Geltung deutschen Erbrechts für sämtliche Fragen der Erbfolge vereinbart und damit eine sog. "große" Rechtswahl nach Art. 22 EUErbVO getroffen. Diese Rechtswahl ist unwirksam, da der italienische Vertragspartner deutsches Recht nicht als Erbstatut wählen konnte, sondern aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit der Erblasserin ausschließlich für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrages. Der BGH hätte also erklären müssen, auf welche Weise er die "große Rechtswahl" in eine Teilrechtswahl (Art. 25 Abs. 3 EUErbVO) umdeutet. Insoweit ist die Begründung des BGH in diesem Zusammenhang also lückenhaft. Da es freilich hier auf die Wirksamkeit der Rechtswahl aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts der Beteiligten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in Deutschland nicht ankommt (s. o.), wirkt sich dies auf das Ergebnis der Entscheidung nicht aus.