Leitsatz
1. Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch handelt es sich um einen ursprünglich der Erblasserin zustehenden Darlehensrückzahlungsanspruch, der mit dem Tod der Erblasserin in deren Nachlass gefallen ist und deshalb von einem Miterben nur unter den Voraussetzungen des § 2039 BGB geltend gemacht werden kann. Demnach kann ein Miterbe jedoch grundsätzlich nur Leistung an die Erbengemeinschaft, nicht jedoch an sich selbst verlangen.
2. Die Voraussetzungen für eine der beiden entwickelten Ausnahmen vom Grundsatz des § 2039 BGB, denen zufolge ein Miterbe von einem Nachlassschuldner Leistung unmittelbar an sich selbst verlangen kann, wenn er von den übrigen Miterben hierzu ermächtigt wurde oder eine Leistung an die Erbengemeinschaft reiner Formalismus wäre, weil die Erbringung der Leistung an den klagenden Miterben nur das Ergebnis der zulässigen Teilauseinandersetzung hinsichtlich dieser Nachlassforderung vorwegnähme (Gedanke des § 242 BGB), liegen nicht vor.
3. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung findet der Grundsatz, dass ein Miterbe nur Leistung an alle Erben verlangen kann, dann keine Anwendung, wenn mit der Leistung an einen Miterben die Auseinandersetzung in zulässiger Weise vorweggenommen wird. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn andere Miterben als die Parteien nicht vorhanden sind, ein Bestehen von Nachlassverbindlichkeiten nicht geltend gemacht ist und die Klägerin nur den Anteil verlangt, der ihr bei der endgültigen Auseinandersetzung in jedem Fall zufallen würde (ebenso BGH BeckRS 1963, 104709).
OLG München, Urt. v. 19.8.2020, 7 U 5934/19
1 Gründe
A. Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines der Beklagten zu 1) gewährten Darlehens sowie um die Auseinandersetzung des Nachlasses nach der am 17.2.2015 verstorbenen Frau Monika G. (im Folgenden als Erblasserin bezeichnet).
Die Erblasserin gewährte der Beklagten zu 1), die erhebliche Verluste erwirtschaftete, ein Gesellschafterdarlehen. Am 18.12.2013 schlossen die Erblasserin und die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführerin die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt war, eine "Rücktrittsvereinbarung" (Anl. B 2), die wie folgt lautete:
"1. Der Schuldner schuldet dem Gläubiger auf Grund Vertrag in Form von Darlehen einen Betrag i.H.v. 225.976 EUR (stand per 31.12.2012)."
2. Soweit es sich bei der unter 1. bezeichneten Forderung zudem um Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO handelt, so erklärt der Gläubiger hiermit, dass er bis zur Abwendung der Krise erst nach allen anderen Gläubigern der Gesellschaft, insbesondere auch nach allen anderen Gläubigern des § 39 Abs. 1- 5 InsO und nur zugleich mit den Einlagenrückgewähransprüchen der anderen Gesellschafter befriedigt werden will. Der Gläubiger erklärt, dass er damit auch hinter ebenfalls zurückgetretenen Drittgläubigern steht.
Falls das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet werden sollte, so erlässt der Gläubiger die unter Ziffer1 bezeichnete Forderung mit Wirkung eines Verzichts.
3. Die Rückzahlung des unter 1. bezeichneten Darlehens erfolgt aus zukünftigen Überschüssen, aus einem Liquidationserlös und aus dem freien Vermögen der GmbH.“
Herr Sebastian G. gewährte der Erblasserin ein Darlehen in Höhe von 100.000 EUR, das die Erblasserin an die Beklagte zu 1) weiterreichte. Seinen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die Erblasserin trat Herr Sebastian G. an seine Ehefrau, die Klägerin ab, die in einem Verfahren vor dem Landgericht München I (Az. 34 O 11788/19) derzeit gegenüber den Beklagten die Rückzahlung des Darlehens geltend macht.
Aufgrund Testaments der Erblasserin vom 13.2.2012 wurden die beiden Söhne der Erblasserin, Herr Sebastian G., der Ehemann der Klägerin, sowie der Beklagte zu 2), Erben je zur Hälfte.
Am 9.2.2015 ergänzte die Erblasserin ihr Testament wie folgt:
"Es ist mein Wille, dass mein Sohn Christian G. die Firmenanteile erhalten soll und mein Sohn Sebastian G. das Grundstück in der M.str. 4 erhalten soll. Der Wert der Firma ist zwar höher, bedeutet jedoch die Existenz für meinen Sohn Christian G."
Im Übrigen soll es bei meinen getroffenen Bestimmungen verbleiben.“
Zum 31.12.2014 hatte das Darlehen einen Stand von 321.933,88 EUR.
Mit notarieller Urkunde vom 24.8.2018 (Anl. BGHL 1) überließ Sebastian G. seinen hälftigen Miterbenanteil am Nachlass der Erblasserin unentgeltlich seiner Ehefrau, der Klägerin.
Die Klägerin behauptet, sie könne aufgrund eines Beschlusses der Erbengemeinschaft vom 4.4.2016 von der Beklagten zu 1) Rückzahlung des hälftigen Darlehensbetrages an sich verlangen. Die Rangrücktrittsvereinbarung habe höchstens zwei Jahre gegolten. Der Beklagte zu 2) sei verpflichtet, dieser Zahlung zuzustimmen.
Die Klägerin beantragte daher:
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, einen Betrag in Höhe von 160.966,94 EUR nebst gesetzlichen Verzugszinsen i.H.v. 5 % Prozentpunkten [sic] über dem Basiszinssatz seit dem 4.4.2016 zu bezahlen, sowie Zinsen in Höhe von 4,5 % für den Zeitraum ab dem 1.1.2015 bis einschließlich zum 3.4.2016.
2. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, d...