Leitsatz
Wird der in einem privatschriftlichen Testament eingesetzte Alleinerbe vom Erblasser mit dem nicht unterschriebenen Vermerk "Wird noch genannt." durchgestrichen, führt dies zum Eintritt der gesetzlichen Erbfolge, wenn entgegen der Ankündigung eine Erbeinsetzung später nicht mehr letztwillig verfügt wurde.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.3.2020 – 8 W 104/19
1 Tatbestand:
I. Die am … im Alter von … Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Ihr Ehemann … … ist am … vorverstorben, ebenso sind ihre Eltern vorverstorben. Die Beteiligte Ziff. 1 ist die (einzige) Schwester der Erblasserin. Beim Beteiligten Ziff. 2 handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein mit Sitz in Ulm.
Am … haben die Erblasserin und ihr (späterer) Ehemann … … vor Notar … , … , einen Erbvertrag geschlossen, den sie durch weiteren Erbvertrag vom … , beurkundet von Bezirksnotar … , … , vollständig wieder aufgehoben haben, ohne neue Bestimmungen von Todes wegen zu treffen.
Nach dem Tod der Erblasserin wurden die beiden Erbverträge am … vor dem Amtsgericht Biberach an der Riß – Nachlassgericht – eröffnet. Durch Beschluss vom 8.3.2018 hat das Amtsgericht Nachlasspflegschaft angeordnet und den Beteiligten Ziff. 3 zum Nachlasspfleger ernannt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Nachlass bedürfe der Fürsorge, insbesondere hinsichtlich der Immobilie … in … . Die als Erbin in Betracht kommende Schwester der Erblasserin – die Beteiligte Ziff. 1 – sei in … in einem Seniorenzentrum.
Der Beteiligte Ziff. 3 als Nachlasspfleger teilte im Rahmen seines Berichts vom 6.4.2018 mit, nach umfangreichen Suchaktionen im Wohnhaus … in … sei zwischenzeitlich ein privatschriftliches Testament der Erblasserin aufgefunden worden. Dieses privatschriftliche Testament, das mit dem Datum … überschrieben ist, lautet wie folgt:
Testament
Zu meinem Erben setze ich ein:
… e.V.
Vermächtnisse ordne ich gesondert an und ernenne Herrn Notar … , … , … zu meinem Testamentsvollstrecker.
Alle bisherigen Testamente widerrufe ich hiermit.
Später wurden die Worte "…" auf der Testamentsurkunde durchgestrichen und räumlich unmittelbar darunter die Worte "Wird noch genannt. 1.12.06" eingefügt.
Das Testament wurde am 6.8.2018 vor dem Amtsgericht Biberach an der Riß – Nachlassgericht – eröffnet. Weitere Verfügungen von Todes wegen liegen von der Erblasserin nicht vor.
Der im Testament vom 6.5.2002 zum Testamentsvollstrecker ernannte Notar … ist im … bereits vor der Erblasserin verstorben.
Mit Urkunde vom 27.4.2018 hat die Beteiligte Ziff. 1 – wohl noch ohne Kenntnis des handschriftlichen Testaments vom 6.5.2002 – unter Hinweis auf die gesetzliche Erbfolge die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach sie Alleinerbin der Erblasserin geworden ist.
Der Beteiligte Ziff. 2 ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Er verweist darauf, durch das privatschriftliche Testament der Erblasserin vom 6.5.2002 zum Alleinerben eingesetzt worden zu sein. Die Änderung des Testaments am 1.12.2006 erkenne er nicht an. Bei Änderungen eines handschriftlichen Testaments sei nicht nur das Datum der Änderung anzugeben, sondern auch der Ort, und zudem müssten sie mit Vor- und Zunamen unterschrieben sein, ansonsten seien die Änderungen ungültig. Nachdem hier wesentliche Angaben bei der Änderung fehlten, sei die Änderung nichtig und damit das ursprüngliche Testament gültig. Die Änderung sei ihrerseits eine letztwillige Verfügung gewesen, die den Formerfordernissen habe entsprechen müsse. Er – der Beteiligte Ziff. 2 – sei damit Alleinerbe der Erblasserin. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob die Streichungen und handschriftlichen Vermerke auf dem handschriftlichen Testament durch die Erblasserin selbst angebracht worden seien. Es sei zu fragen, ob die Erblasserin zum Zeitpunkt der Änderung testierfähig gewesen sei und ob die Erblasserin den eingesetzten Testamentsvollstrecker über die Änderung unterrichtet habe. Es erscheine fraglich, dass die Erblasserin über 11 Jahre keinen anderen Erben genannt habe. Des Weiteren stimme die handschriftliche Änderung in verschiedenen Punkten nicht mit dem Original überein, weshalb eine schriftvergleichende Untersuchung erforderlich sei.
Die Beteiligte Ziff. 1 hat demgegenüber vorgetragen, die Streichung des ursprünglich eingesetzten Erben sei durch die Erblasserin persönlich erfolgt. Eine Streichung von Erbeinsetzungen bedürfe nicht der Form des § 2247 BGB. Anhaltspunkte für Willensbeeinträchtigungen oder Einflussnahmen Dritter lägen nicht vor.
Durch Beschluss vom 13.2.2019 hat das Amtsgericht Biberach an der Riß – Nachlassgericht – die zur Erteilung des von der Beteiligten Ziff. 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wurde ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt. Das Amtsgericht hat ausgeführt, es liege ein wirksamer Widerruf der Erbeinsetzung des Beteiligten Ziff. 2 vor. Eine weitere Unterschrift sei nicht erforderlich gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die Än...