Leitsatz
1. Der Pflichtteilsberechtigte hat im Rahmen des Auskunftsanspruchs zu Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen (Anschluss an OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.7.2018 – I-7 U 9/17, ZEV 2019, 90).
2. Wird der Beklagte nicht nur zur Auskunftserteilung, sondern auch zur Belegvorlage verurteilt, kommt es für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes auch auf die Kosten an, die mit der Beschaffung der Belege (hier u.a. Bankunterlagen für die letzten 10 Jahre vor dem Erbfall) verbunden sind.
OLG München, Urt. v. 23.8.2021 – 33 U 325/21
1 Tatbestand
I.
Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche. Der Kläger ist der Sohn der am 12.1.2019 verstorbenen Erblasserin, der Beklagte ihr Ehemann. Die Erblasserin wurde vom Beklagten allein beerbt.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger Auskunft und Belegvorlage vom Beklagten, um seine Pflichtteilsansprüche beziffern zu können.
Der Beklagte verteidigt sich mit der Behauptung, ein Anspruch auf Belegvorlage bestünde nicht, im Übrigen seien die Belege bereits zum Teil vorgelegt worden.
Das Erstgericht hat der Klage mit Teilurteil vom 16.12.2020 stattgegeben.
Es sah die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Belegvorlage als gegeben an.
Im Übrigen nimmt der Senat hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Feststellungen im Teilurteil des Landgerichts Memmingen vom 16.12.2020 Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Der Beklagte rügt in seiner Berufungsbegründung vom 15.1.2021 (Bl. 57 ff d.A.), dass das Erstgericht zu Unrecht eine allgemeine Belegvorlage zugesprochen hat.
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren (Bl. 57 der Akten):
Das Teilurteil des Landgerichts Memmingen vom 16.12.2020, Az.: 35 O 753/20 wird insoweit aufgehoben und die Klage in der Auskunftsstufe als unzulässig und unbegründet abgewiesen, als der Beklagte und Berufungskläger dazu verurteilt worden ist,
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sämtliche Ansprüche (sic!) haben unter Belegvorlage (Kopien) zu erfolgen |
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auch ist mitzuteilen, ob und ggf. wem die Erblasserin Vollmacht erteilt hat, über ihr Vermögen, insbesondere über ihre Bankkonten zu verfügen und ob in diesem Zusammenhang Forderung des Nachlasses gegen Bevollmächtigte bestehen |
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bei Kapitalvermögen ist eine Mitteilung an die Erbschaftssteuerstelle gemäß § 33 EStG vorzulegen. |
Der Kläger beantragt (Bl. 62 der Akten),
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass eine Belegvorlage vorliegend deswegen gerechtfertigt sei, weil diese notwendig sei, um hinsichtlich des’Nachlassbestandes eine Werteinschätzung vornehmen zu können.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschl. v. 28.4.2021 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Am 14.6.2021 hat der Senat mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Inhalts und Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll (Bl. 88/89 d.A.) Bezug genommen. Eine gütliche Einigung war nicht möglich.
Ergänzend verweist der Senat auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
2 Gründe
II.
Die zulässige Berufung ist im Ergebnis erfolgreich.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere wird der Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) erreicht. Zwar entspricht es der herrschenden Meinung, dass sich bei der Verurteilung des Beklagten zur Auskunft dessen Beschwer grundsätzlich nur nach dem mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwand bemisst, wobei auf die Sätze nach dem JVEG abzustellen ist (BGH NJW 1995, 664; NJW-RR 2021, 724; NK/Krätzschel, Nachfolgerecht 2. Auflage 2018, § 254 ZPO Rn 25 ff). Dabei ist im Wesentlichen auf den substantiiert vorzutragenden Aufwand und Zeit abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (Thoms/Putzo/Hüßtege, ZPO 42. Auflage 2021, § 3 Rn 21c). Danach übersteigt die Beschwer wohl nur in Ausnahmefällen die Grenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass alle Auskünfte, die der Beklagte zu erteilen hat, unter Belegvorlage erfolgen sollen. Insoweit hat die beklagte Partei mit Schriftsatz vom 19.2.2021 vorgetragen, dass allein die Vorlage von Bankbelegen für die zurückliegenden 10’Jahre vor dem Erbfall Bankgebühren in erheblichem Umfang anfallen, so dass allein dadurch der Wert des Beschwerdegegenstandes überschritten wird.
2. Die Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg. Der Senat teilt nicht die Ansicht des Landgerichts, wonach im vorliegenden Falle neben der Verurteilung zur Auskunftserteilung, die vom Beklagten mit der Berufung nicht angegriffen wird, auch eine Vorlage von Belegen zu erfolgen hat.
a) Seiner Rechtsansicht legt der Senat die folgenden Grundsätze zugrunde:
o Die zu erteilende Auskunft des Erben im Rahmen des § 2314 BGB erstreckt sich auf alle Berechnungsfaktoren und somit auf alle tatsächlich zum Erbfall vorhandenen Aktiv- und Passivposten ( BeckOGK-BGB/Blum/Heuser, Stand: 15.6.2021 § 2314 Rn 7; Firsching/Graf/Krätzschel, Nachlassrecht 11. Auflage 2019, § 17 Rn 25).
o Nach Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur besteht kein allgemeiner Ansp...