Bei der Gestaltung von Behindertentestamenten hat die Praxis mehrere Modelle entwickelt. Das sog. Vor- und Nacherbenmodell gilt dabei als die klassische Lösung zur Ausgestaltung einer letztwilligen Verfügung bei der Vermögensnachfolgeplanung zum Schutz der Interessen von Menschen mit Behinderung.[11] Wesentliche Elemente der Konstruktion sind die Einsetzung des behinderten Erben als nicht befreiten Vorerben auf Lebenszeit mit einer jedenfalls nicht unter dem Pflichtteil liegenden Erbquote, wobei dritte Personen als Nacherben (zumeist gesunde Geschwister, der Ehegatte oder eine Einrichtung) berufen werden. Kombiniert wird eine Dauertestamentsvollstreckung (§ 2209 BGB) über den Erwerb von Todes wegen des behinderten Vorerben. Dem Testamentsvollstrecker wird testamentarisch ein Regelungskatalog vorgegeben (§ 2216 Abs. 2 BGB), nach dem er dem behinderten Vorerben Leistungen aus dem Nachlass dergestalt zukommen lassen soll, dass Dritten und insbesondere dem Sozialleistungsträger der Zugriff auf den Nachlass verwehrt ist unter gleichzeitiger Beibehaltung staatlicher Leistungen, die der Behinderte bezieht. Ziel der Regelung ist neben einer Familien-/Bindung des Vermögens über mehrere Generationen hinweg vor allem der Schutz des Vermögens vor dem Zugriff Dritter und eine Absicherung des behinderten Erben über Sozialhilfeniveau.

Der BGH sieht das Behindertentestament in der klassischen Ausgestaltung als Vor- und Nacherbschaft in Kombination mit einer Dauertestamentsvollstreckung in ständiger Rechtsprechung als nicht sittenwidrig an.[12] Derartige Verfügungen von Todes wegen seien vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus.[13]

[11] Weidlich, ZEV 2020, 136.
[12] BGH, Urt. v. 21.31990 – IV ZR 169/89, DNotZ 1992, 241, 242 f.; BGH, Urt. v. 20.10.1993 – IV ZR 231/92, ZEV 1994, 35; BGH, Urt. v. 19.1.2011 – IV ZR 7/10, NJW 2011, 1586, 1587.

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