I.
Der Beteiligte zu 3 war vom 4.6.1992 bis zu deren Tod in zweiter Ehe mit der Erblasserin verheiratet. Die Beteiligte zu 1 ist die einzige Tochter der Erblasserin, die Beteiligte zu 2 ist die einzige Tochter des Beteiligten zu 3. Aus der Ehe gingen keine gemeinsamen Kinder hervor.
Die Eheleute errichteten unter dem 3.12.2007 ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament. Darin setzten sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Nach dem Tod des Letztversterbenden sollten ihre Töchter, die Beteiligten zu 1 und zu 2, Erben sein. Der Überlebende sollte zu Lebzeiten nach dem Tod des Erstversterbenden über den Nachlass als Erbe frei verfügen dürfen, nicht jedoch letztwillig.
Unter dem 1.2.2023 reichte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 und zu 2 bei dem Nachlassgericht die erste Ausfertigung des von ihm beurkundeten Erbscheinantrags der Beteiligten zu 1 und zu 2 vom 23.1.2023 ein, der die Erbausschlagungserklärung des Beteiligten zu 3 enthält. Des Weiteren reichte er die Testamentsurkunde vom 3.12.2007 im Original ein und beantragte die Eröffnung dieses Testaments (AG Mülheim a.d. Ruhr – 4 VI 204/23).
Am 10.2.2023 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 und zu 2 über das Elektronische Gerichtspostfach (EGVP) beim Nachlassgericht den Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1 und zu 2 eingereicht, mit dem sie aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 3.12.2007 einen gemeinschaftlichen Erbschein zu je ½ Anteil beantragen. Darin nehmen sie die "als Ersatzerbenregelung auszulegende Schlusserbeneinsetzung" an. Dem Antrag beigefügt ist ein Beglaubigungsvermerk der Verfahrensbevollmächtigten, wonach die Übereinstimmung der in der Datei enthaltenen Bilddaten (Abschrift) mit dem ihm vorliegenden Papierdokument beglaubigt wird.
Das Testament wurde am 2.3.2023 eröffnet (AG Mülheim a.d. Ruhr – 4 IV 93/23).
Mit Verfügung vom 2.3.2023 hat das Nachlassgericht – Rechtspflegerin – mitgeteilt, dass der Erteilung des Erbscheins entgegenstehe, dass die Ausschlagungsfrist des Testamentserben abgelaufen und die Ausschlagung infolgedessen unwirksam sei.
Die Beteiligten zu 1 und zu 2 haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass der Beteiligte zu 3 als Ausschlagender mangels Kenntnis des Testaments keine Kenntnis von seiner gewillkürten Erbeinsetzung hätte haben können.
Mit Verfügung vom 11.4.2023 hat das Nachlassgericht seinen Standpunkt aufrechterhalten und ferner beanstandet, dass die eingereichte Ausschlagungserklärung nicht der Form des § 1945 BGB entspreche. Diese sei im Original bei Gericht einzureichen.
Dem sind die Beteiligten zu 1 und zu 2 entgegengetreten.
Mit dem angefochtenen Beschl. v. 12.5.2023 hat das Nachlassgericht – Rechtspflegerin – den Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1 und zu 2 kostenpflichtig zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beteiligte zu 3 habe keine wirksame Ausschlagungserklärung abgegeben und sei Erbe geworden. Die elektronische Übermittlung der Ausschlagungserklärung genüge nicht der Form des § 129 BGB und damit auch nicht den Anforderungen des § 1945 BGB. Dem Nachlassgericht liege kein Original der Ausschlagungserklärung vor. Im Übrigen sei die Ausschlagungsfrist des § 1945 BGB abgelaufen. Diese beginne bei testamentarischer Erbfolge zwar regelmäßig nach Bekanntmachung dieser Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. Vorliegend sei das Testament ohne Angabe von Gründen jedoch erst fast zwei Jahre nach dem Tod der Erblasserin eingereicht worden. Da es durch beide Ehegatten errichtet worden sei, sei von der Kenntnis des Beteiligten zu’3 auszugehen. Auch ohne Kenntnis des gemeinschaftlichen Testaments gingen juristische Laien in der Regel davon aus, gesetzlicher Allein- oder zumindest Miterbe nach einem verstorbenen Ehegatten zu sein. Hier werde davon ausgegangen, dass die Kenntnis der Erbenstellung, sei es aufgrund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge, mit dem Tod der Erblasserin festgestanden habe.
Hiergegen richtet sich die am 5.6.2023 durch den Verfahrensbevollmächtigten eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1 und zu 2. Sie meinen, dass ein Notar nicht verpflichtet sei, eine Urkunde mit Ausnahme einer letztwilligen Verfügung im Original dem Gericht vorzulegen. Die Ausfertigung ersetze das Original im Rechtsverkehr. Ferner habe die Ausschlagungsfrist erst zu laufen begonnen, als der Beteiligte zu 3 die eröffnete Verfügung vom Nachlassgericht erhalten habe. Das AG sei nicht befugt, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob ein Ehegatte wisse, welche Testamente es gebe und gegeben habe. Erst als klar gewesen sei, dass es nur die eine eröffnete Verfügung gab, habe er sinnvollerweise die Erbschaft ausschlagen können.
Mit Beschl. v. 15.6.2023 hat das Nachlassgericht – Rechtspflegerin – der Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Düsseldorf als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der Testamentsakte...