Leitsatz
1. Ein deutscher Erbschein kann im Elsass zum Nachweis der Rechtsnachfolge herangezogen werden.
2. Dem juristischen Laien ist die Eigenständigkeit verschiedener Spaltnachlässe nicht bekannt. Sein Wille geht für den Fall, dass er eine bestimmte Person universal ohne Einschränkungen bedenkt, in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte dahin, durch die letztwillige Verfügung seine gesamte Rechtsnachfolge zu regeln.
Notariat Villingen Schwenningen, Beschluss vom 22. Juni 2012 – II NG 256/2011
Sachverhalt
Der Erblasser ist mit letztem Wohnsitz in Triberg im Schwarzwald am xx.xx.2011 verstorben. Aus der im Jahre 19xx vor dem Standesbeamten in Triberg im Schwarzwald geschlossenen und im Zeitpunkt des Erbfalls unverändert bestehenden Ehe mit der Beteiligten zu 1 sind drei Kinder hervorgegangen (die Beteiligten zu 2 bis 4). Weitere Abkömmlinge hat der Erblasser nicht hinterlassen.
Der Nachlass setzt sich aus Vermögen in Deutschland und beweglichem und unbeweglichem Vermögen im Elsass bzw. in Lothringen (Frankreich) zusammen. Durch notarielles Testament vom 4.4.2011 (gemeinschaftliches Ehegattentestament) setzten sich der Erblasser und die Beteiligte zu 1 für den Fall des jeweiligen Vorversterbens gegenseitig zu Alleinerben und die Beteiligten zu 2 bis 4 als Schlusserben ein. Eine gesonderte Verfügung von Todes wegen für das in Frankreich belegene unbewegliche Vermögen besteht nicht.
Auf Anforderung des befassten französischen Notars haben die Beteiligten Ziff. 2 bis 4 dem Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1 durch Unterschrift unter dem Antrag ihrer Mutter zugestimmt.
Aus den Gründen
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Das Notariat Villingen ist gemäß den §§ 105, 343 Abs. 1 Hs. 1 FamFG international und örtlich zuständig. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bezieht sich dabei auch auf das in Frankreich belegene unbewegliche Vermögen. Soweit unter Geltung des sog. Gleichlaufprinzips, nachdem die deutschen Nachlassgerichte nur dann und grundsätzlich nur soweit international zuständig waren, wie auf die Nachlassabwicklung deutsches Erbrecht zur Anwendung berufen war, deutschen Gerichten für die Erteilung eines allgemeinen, die Rechtsnachfolge auch nach französischem Erbrecht bezeugenden Erbscheins, die internationale Zuständigkeit fehlte, ist dieses Prinzip seit Inkrafttreten des FamFG überholt.
b) Dem Antrag kann, auch soweit er sich auf die Bezeugung der Rechtsnachfolge nach dem in Frankreich belegenen unbeweglichen Vermögen richtet, schon deshalb nicht das Rechtsschutzinteresse unter dem Gesichtspunkt fehlender Anerkennung des deutschen Erbscheins im Ausland abgesprochen werden, weil ein deutscher Erbschein im Elsass grundsätzlich zum Nachweis der Rechtsnachfolge herangezogen werden kann (Kroiß/Ann/Mayer/Frank, BGB Band V, 3. Aufl. 2010, Frankreich Rn 121).
2. Der Antrag ist weiter begründet.
a) Die Rechtsnachfolge nach dem Erblasser richtet sich grundsätzlich gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Erbrecht. Der in dieser Verweisung enthaltene Grundsatz der Nachlasseinheit wird jedoch hinsichtlich des in Frankreich belegenen Grundvermögens gemäß Art. 3 a Abs. 2 EGBGB durchbrochen. Nach hM in Rechtsprechung und Literatur ist ausländisches Kollisionsrecht, das wie Art. 3 Abs. 2 des französischen Code civil für die Rechtsnachfolge an unbeweglichem Vermögen an die lex rei sitae anknüpft, unter diese Vorschrift zu subsumieren (etwa BayObLG, Entsch. v. 3.4.1990, NJW-RR 1990, 1033).
b) Der vorliegende Gesamtnachlass besteht demnach aus zwei eigenständigen Spaltnachlässen, die rechtlich jeweils selbstständig zu beurteilen sind (Palandt/Thorn, 71. Aufl. 2012, Art. 25 Rn 24). Diese Trennung ist auch im Erbscheinsverfahren und bei der Anwendung von § 2353 BGB zu beachten. Jeder rechtlich selbstständige Spaltnachlass ist "Erbschaft" im Sinne von § 2353 BGB. Für jeden Spaltnachlass werden demgemäß rechtlich eigenständige Erbscheine erteilt, die in einer Urkunde zusammengefasst sind (jurisPK-BGB/J. Lange, 5. Aufl. 2010, § 2369 BGB Rn 5; Schäuble, ZErb 2009, 200, 201 f; Staudinger/Herzog, BGB – Neubearb. 2010, § 2369 BGB Rn 12).
c) Die Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 ergibt sich hinsichtlich des dem deutschen Recht unterliegenden Nachlasses aus dem gemeinschaftlichen notariellen Testament vom 4.4.2011.
d) Hinsichtlich des dem französischen Recht unterliegenden Spaltnachlasses ergibt sich die Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 ebenfalls aus dem Testament vom 4.4.2011. Ein in Deutschland nach deutschem Ortsrecht formwirksam (Art. 1 Haager TestÜbk; BGH NJW 2004, 3558, 3560) errichtetes gemeinschaftliches Ehegattentestament wird von der in Frankreich überwiegenden Praxis als wirksame Verfügung von Todes wegen angesehen. Das im französischen Recht ausgesprochene Verbot gemeinschaftlicher Testamente wirkt sich dahingehend aus, dass die gemeinschaftliche Verfügung wie zwei Einzeltestamente anzusehen ist (Kroiß/Ann/Mayer/Frank, BGB Band V, 3. Aufl. 2010, Frankreich Rn 21, 75 f; Staudinger/Dörner, Neubearb. 2007, Art. 25 EGBGB Rn 328, 333).
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