Leitsatz
Nach § 31 Abs. 5 ErbStG ist ein Testamentsvollstrecker zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung für einen Erwerber nur dann verpflichtet, wenn sich die Testamentsvollstreckung auch auf den Gegenstand des Erwerbs bezieht. Hinzu kommt, dass das Finanzamt von dem Testamentsvollstrecker auch die Abgabe der Erklärung verlangen muss.
BFH Urteil vom 11. Juni 2013 – II R 10/11
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im notariell beurkundeten Erbvertrag ihrer Großeltern vom 21. November 1975 von dem länger lebenden Großelternteil als Nachvermächtnisnehmerin hinsichtlich der Miteigentumsanteile von je 1/2 an einem Grundstück nach dem Ableben der jeweiligen Vorvermächtnisnehmerinnen A und C eingesetzt. Die Großeltern der Klägerin ordneten eine Testamentsvollstreckung für ihren Nachlass an. Das Amt des Testamentsvollstreckers sollte u. a. die Aufgabe umfassen, für die Ausführung der Vermächtnisse zu sorgen und die vermachten Gegenstände auch nach der Vermächtniserfüllung für die im Erbvertrag bestimmte Dauer der Testamentsvollstreckung weiter zu verwalten. (...)
Die am 1. Oktober 2008 verstorbene Vorvermächtnisnehmerin C wurde von ihrer Schwester S alleine beerbt. S machte im Rahmen ihrer Erbschaftsteuererklärung das zugunsten der Klägerin angeordnete Nachvermächtnis hinsichtlich des Miteigentumsanteils der C an dem Grundstück als Nachlassverbindlichkeit geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) setzte daraufhin, ohne von der Klägerin oder dem Testamentsvollstrecker eine Erbschaftsteuererklärung anzufordern, wegen des Nachvermächtnisses mit Bescheid vom 30. April 2009 gegenüber der Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 21.804 EUR fest. Der Besteuerung legte das FA nicht das Verhältnis der Klägerin zu dem zuletzt verstorbenen Großelternteil, sondern ihr Verhältnis zu der Vorvermächtnisnehmerin C zugrunde.
Der Erbschaftsteuerbescheid war an die Klägerin gerichtet und wurde ihr auch bekannt gegeben.
Den Antrag der Klägerin vom 29. Juni 2009, den Erbschaftsteuerbescheid dem Testamentsvollstrecker erneut bekannt zu geben, lehnte das FA ab. Den weiteren Antrag der Klägerin vom 12. August 2009, den nach ihrer Ansicht wegen fehlerhafter Bekanntgabe unwirksamen Erbschaftsteuerbescheid vom 30. April 2009 aufzuheben und der Besteuerung ihr Verhältnis zum zuletzt verstorbenen Großelternteil zugrunde zu legen, lehnte das FA im Bescheid vom 24. August 2009 ebenfalls ab. (...)
Aus den Gründen
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Erbschaftsteuerbescheid der Klägerin wirksam bekannt gegeben wurde.
1. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 iVm § 155 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) ist ein Steuerbescheid demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist. Der Steuerbescheid ist für den Steuerschuldner bestimmt, gegen den sich die Steuerfestsetzung richtet. Er wird in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er dem Steuerschuldner bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO). Steuerschuldner der Erbschaftsteuer ist grundsätzlich der Erwerber (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Ein Erbschaftsteuerbescheid wird daher regelmäßig mit der Bekanntgabe an den Erwerber (Steuerschuldner) wirksam.
2. Abweichend von § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist in den Fällen des § 31 Abs. 5 ErbStG der Steuerbescheid dem Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bekanntzugeben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Mit dieser Bekanntgabe wird der Steuerbescheid gegenüber dem Steuerschuldner iSv § 124 Abs. 1 Satz 1 AO wirksam (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 14. November 1990 II R 58/86, BFHE 162, 385, BStBl II 1991, 52).
a) Die Bekanntgabe eines Erbschaftsteuerbescheids an den Testamentsvollstrecker setzt einen Fall des § 31 Abs. 5 ErbStG voraus.
Nach § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG ist, wenn ein Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter vorhanden ist, die Steuererklärung von diesem abzugeben. Das Finanzamt kann verlangen, dass die Steuererklärung auch von einem oder mehreren Erben unterschrieben wird (§ 31 Abs. 5 Satz 2 ErbStG).
§ 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG regelt die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers zur Abgabe der Erklärung, ohne die Erklärungspflicht von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Die Vorschrift ist jedoch nicht dahin zu verstehen, dass sie im Falle einer Testamentsvollstreckung eine uneingeschränkte Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers anordnet. Vielmehr ist wegen der zivilrechtlichen Stellung und der Aufgaben des Testamentsvollstreckers sowie im Zusammenhang mit § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, der die Erklärungspflicht des an einem Erbfall Beteiligten regelt, davon auszugehen, dass der Testamentsvollstrecker nach § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG nur zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung für einen Erwerber verpflichtet ist, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf den Gegenstand des Erwerbs bezieht und das Finanzamt die Abgabe der Erklärung vom Testamentsvollstrecker verlangt.
b) Zivilrechtlich ist der Testamentsvollstrecker weder Vertreter des Er...