Welches die wirklich richtige Auslegung ist, weiß man nie. Wenn also die Vertragsschließenden eines Auslegungsvertrags sich auf eine bestimmte Auslegung der Verfügung von Todes wegen einigen, so wollen sie die vermögensrechtlichen Folgen für den Fall regeln, dass die vereinbarte Auslegung von der unbekannten richtigen Auslegung abweicht. Sie wollen sich so stellen, als wäre die vereinbarte Auslegung die richtige.
Da diese Auslegung im Vergleichswege erfolgt, sind die Beteiligten sich darüber im Klaren, dass ihre Auslegung nicht mit dem übereinstimmen muss, was ein mit eben dieser Frage befasstes Gericht meint. Nun interessiert diese Meinung die Beteiligten im Grunde nicht mehr, denn sie wollen ja durch den Vergleich eben den Streit über die richtige Auslegung erledigen. Sie wollen deshalb nur sicherstellen, dass der Vergleich umfassend durchführbar ist. Und wo dies ersichtlich zweifelhaft ist, da wollen sie einen Weg der Gestaltung wählen, der dies sicherstellt.
Das erste auftauchende Problem ist, dass man keinen gerichtsfesten Vergleich darüber schließen kann, wer Erbe ist. Es gilt also den Vergleich so auszugestalten, dass ein Erbschein, den das Nachlassgericht ausgestellt hat oder denkbarer Weise noch ausstellen wird, den Vergleich nicht undurchführbar macht.
Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung können vor allem das Erfordernis eines Erbscheins oder eine Eintragung im Grundbuch oder beides bereiten, denn Nachlassgericht und Grundbuchamt akzeptieren grundsätzlich keine Vereinbarungen darüber, wer Erbe ist. Für diese ist grundsätzlich die Verfügung von Todes wegen oder der Erbschein allein maßgeblich. Der Auslegungsvertrag wird das berücksichtigen.
3.2.1
Ist das Testament des Onkels an der entscheidenden Stelle unleserlich geworden und streiten sich der Neffe Martin und die Nichte Maria darüber, wer von beiden als Erbe zu 1/4 eingesetzt ist – der Buchstabe "M" ist aber noch sicher erkennbar – dann sollte der Auslegungsvertrag nicht festlegen, dass man sich darauf einigt, dass Martin und Maria Miterben je zu 1/8 sind. Denn zu solcher Auslegung kann das Nachlassgericht nicht gelangen. Ist durch das Testament der Bruder des Erblassers als einziger gesetzlicher Erbe schlüssig enterbt, so kann entweder Martin oder Maria oder keiner von beiden Erbe sein, weil nicht feststellbar ist, wen der Erblasser bedacht hat. Damit der Vergleich durchführbar ist, könnte Maria – für den Fall dass das Nachlassgericht sie als Erbin ansieht – die Hälfte ihres Erbteils von 1/4 auf Martin übertragen. Martin wird umgekehrt für den Fall, dass er als Erbe angesehen wird, von dem dann "eigentlich" ihm zustehenden 1/4 die Hälfte auf Maria übertragen. Der Bruder des Erblassers sollte in die Regelung einbezogen werden, wenn man "sichergehen" will. Er überträgt, für den Fall dass das Nachlassgericht ihn als Erben ansieht, je die Hälfte des aufgeteilten Nachlasses an Martin und Maria.
Die Erbteilsübertragung ändert zwar nichts an der Erbfolge, bewirkt aber vermögensmäßig, dass der durch den Auslegungsvertrag erzielte Vergleich durchgeführt werden kann.Der Auslegungsvertrag als Vergleich über das Erbrecht beinhaltet eine eventuelle Übertragung eines Erbteils oder eines Teiles davon (§ 2033 BGB). Der Auslegungsvertrag bedarf deshalb nach § 2033 BGB der Form der notariellen Beurkundung. Die Einigung im Mediationsverfahren (§ 2 Abs. 6 MediationsG) ist wegen dieser Formbedürftigkeit nicht möglich. Auch die Dokumentation und Hinterlegung beim Amtsgericht ändern daran nichts. Erforderlich ist die Beurkundung durch einen Notar (s. o. Teil I 2 e) oder ein Übergang zu einem schiedsgerichtlichen Verfahren mit einem "Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut" (s. o. Teil I Exkurs nach 2 e ), weil durch diesen die Form der notariellen Beurkundung ersetzt wird