Leitsatz

Ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Gebäude, in dem sich nicht der Mittelpunkt des familiären Lebens von Ehepartnern befindet, ist kein steuerbegünstigtes Familienwohnheim iSd § 13 Abs. 1 Nr. 4 a Satz 1 ErbStG. Eine Zweitwohnung oder eine Ferienwohnung ist daher nicht begünstigt.

BFH Urteil vom 18. Juli 2013 – II R 35/11

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnt zusammen mit seiner Familie in E. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26. Juni 2008 übertrug er seiner Ehefrau im Wege der Schenkung ein mit einer Doppelhaushälfte bebautes Grundstück auf Sylt gegen Einräumung eines lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnrechts.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) setzte unter Berücksichtigung des Grundbesitzwerts und der Vorschenkungen im Bescheid vom 3. Dezember 2008 Schenkungsteuer fest. Wegen des Wohnrechts wurde ein Betrag in Höhe von 108.851 EUR zinslos gestundet.

Einspruch und Klage, mit denen der Kläger die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für 2008 maßgebenden Fassung (ErbStG) begehrte, blieben ohne Erfolg.

Aus den Gründen

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Das FG hat zu Recht für die Zuwendung des mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücks eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG versagt.

(...) Ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Gebäude, in dem sich nicht der Mittelpunkt des familiären Lebens befindet, ist kein steuerbegünstigtes Familienwohnheim iSd § 13 Abs. 1 Nr. 4 a Satz 1 ErbStG. Nicht begünstigt sind deshalb Zweit- oder Ferienwohnungen.

a) Das Familienwohnheim wird in § 13 Abs. 1 Nr. 4 a Satz 1 ErbStG als ein im Inland belegenes, zu eigenen Wohnzwecken genutztes Haus oder als eine im Inland belegene, zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung definiert. Nach dem Wortlaut enthält § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG eine weitreichende Steuerbefreiung für die Zuwendung von selbst genutztem Wohneigentum zwischen Eheleuten. Die Steuerbefreiung ist nicht auf die Zuwendung nur eines Familienwohnheims begrenzt; soweit die Voraussetzungen am jeweiligen Übertragungsstichtag vorliegen, kann die Steuerbefreiung zeitlich nacheinander für mehrere Objekte in Anspruch genommen werden. (...)

§ 13 Abs. 1 Nr. 4 a Satz 1 ErbStG ist nach seinem Sinn und Zweck sowie zur Einschränkung der bestehenden Überbegünstigung dahin auszulegen, dass jedenfalls solche zu eigenen Wohnzwecken genutzten Häuser oder Eigentumswohnungen nicht begünstigt werden, in denen sich am maßgeblichen Übertragungsstichtag (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) nicht der Mittelpunkt des familiären Lebens der Eheleute befindet (vgl. R 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003). Zumindest Zweit- und Ferienwohnungen sind deshalb nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 a Satz 1 ErbStG begünstigt.

Für diese Auslegung spricht die Entstehungsgeschichte der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 13/901, S. 157) sollten im Hinblick auf die Rechtsprechung des BFH zur schenkungsteuerrechtlichen Behandlung von ehebedingten Zuwendungen (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366) solche Zuwendungen unter Ehegatten von der Schenkungsteuer freigestellt werden, die den engeren Kern der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft berühren. (...)

Diese Vorstellung liegt auch der Neufassung des ErbStG durch das ErbStRG zugrunde. Durch das ErbStRG wurde die Steuerbefreiung für Familienheime auf Erwerbe von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten erstreckt, wobei hierfür u. a. Voraussetzung ist, dass die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 b Satz 1 ErbStG nF). (...)

Die Einschränkung der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG auf Familienwohnheime, in denen sich der Mittelpunkt des familiären Lebens der Eheleute befindet, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Eine Steuerbefreiung, die die Zuwendungen aller zum Zeitpunkt der Übertragung zu eigenen Wohnzwecken genutzten Häuser und Eigentumswohnungen zwischen Eheleuten erfasst, wäre nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar.

aa) Art. 3 Abs. 1 GG verbietet einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400, und BFH-Beschluss vom 27. September 2012 II R 9/11, BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899, jeweils mwN).

Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber zwar einen weitreichenden Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstands. Die Freiheit des Gesetzgebers im Steuerrecht – auch im Erbschaftsteuerrecht – wird hierbei allerdings durch zwei Leitlinien begrenzt, nämlich durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebo...

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