Leitsatz
Eine Schlusserbeneinsetzung des eigenen Kindes im Erbvertrag zwischen nichtehelichen Lebenspartnern kann auch dann bindend sein, wenn zu dem vorverstorbenen Ehepartner aufgrund langjähriger häuslicher Gemeinschaft eine enge Beziehung bestanden hat.
OLG München, Beschluss vom 3. November 2014 – 31 Wx 280/14
Sachverhalt
I. Die 1930 geborene Erblasserin ist die Mutter der Beteiligen zu 1) bis 3), die zwischen 1948 und 1956 geboren sind. Die Beteiligten zu 4) und 5) sind die Töchter einer weiteren vorverstorbenen Tochter. Der Ehemann der Erblasserin verstarb am 14.4.1963. Ab 1968 lebte die Erblasserin mit dem vorverstorbenen J. Sch. in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Von den Töchtern lebte nur die jüngste, die Beteiligte zu 3), seit Beginn der Beziehung bis 1975 im Haushalt der Erblasserin und ihres damaligen Lebensgefährten. In dem notariellen Testament der Erblasserin vom 19.2.1973 heißt es unter anderem:
Zitat
"Ich bin seit dem 14. April 1963 verwitwet. Seit etwa fünf Jahren lebt mit mir in Hausgemeinschaft Herr J. Sch., xxx xxx xxx. Er ist geschieden und hat zwei Söhne. Ich selbst habe vier Töchter. Ich bin Alleineigentümerin des Grundstücks der Gemarkung xxx xxx xxx xxx xxx xxx xxx, xxx xxx = xxx xxx. In der Zeit, in der ich mit Herrn Sch. in Hausgemeinschaft lebe, haben wir das Wohnhaus umgebaut und renoviert bzw. modernisiert. Herr Sch. hat hierzu sein gesamtes Einkommen zur Verfügung gestellt ..." (Im Folgenden setzte die Erblasserin J. Sch. zu ihrem Vorerben sowie ihre vier Töchter und den ehelichen bzw. vorehelichen Sohn des geschiedenen Herrn Sch. je zu 1/6 als Nacherben ein.)
Am 23.10.1980 schlossen J. Sch. und die Erblasserin folgenden notariellen Erbvertrag:
Zitat
"1) Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. "
2) Zu Erben des Längstlebenden von uns bestimmen wir die Tochter der Erschienenen zu 1), Fräulein M. M., geboren am xxx, wohnhaft in xxx xxx, xxx xxx xxx. Falls die eingesetzte Erbin den Erbfall nicht erleben sollte, sollen deren Abkömmlinge, zu gleichen Teilen an ihre Stelle treten.
3) Dem Überlebenden von uns beiden wird das Recht eingeräumt, hinsichtlich des beiderseitigen Vermögens bzw. Nachlasses Teilungsanordnungen, und zwar auch im Wege der letztwilligen Verfügung zu treffen. Er soll insbesondere auch ermächtigt sein, den oder die Übernehmer des von uns hinterlassenen Grundbesitzes zu bestimmen sowie Höhe und Fälligkeit eventuell zu leistender Auszahlungen festzulegen und dabei abweichend von vorstehender Ziffer 2) die Erbteile der einzelnen Erben auch verschieden groß zu bestimmen.“
Mit notariellem Testament vom 17.6.1994 setzte die Erblasserin die Beteiligen zu 1) und 2) als Erben ein; mit notariellem Testament vom 31.7.2006 setzte sie die Beteiligte zu 2) als Alleinerbin ein und schließlich mit notariellem Testament vom 11.4.2011 die Beteiligte zu 1).
Mit Beschluss vom 28.4.2014 hat das Amtsgericht die erforderlichen Tatsachen zur Erteilung des von der Beteiligten zu 3) beantragten Alleinerbscheins für festgestellt erachtet. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1). Der Erbvertrag aus dem Jahre 1980 gebe die von der Beteiligten zu 3) behauptete erbvertragliche Bindung nicht her, die für ein besonderes Näheverhältnis angeführten Gründe seien nicht überzeugend. Insbesondere hätten der vom Amtsgericht angehörte Ehemann der Beteiligten zu 3) und deren Sohn nur Angaben zu den Verhältnissen nach Vertragsschluss gemacht.
Aus den Gründen
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Nachlassgericht hat zu Recht einen Alleinerbschein für die Beteiligte zu 3) bewilligt. Diese ist durch den Erbvertrag vom 23.10.1980 erbvertraglich bindend zur Alleinerbin der Erblasserin eingesetzt. Die abweichenden späteren letztwilligen Verfügungen der Erblasserin sind nach § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Die im Erbvertrag vereinbarte Abänderungsbefugnis umfasst nicht die Möglichkeit, einen anderen Schlusserben zu bestimmen.
1. Der Erbvertrag vom 23.10.1980 bezeichnet keine der getroffenen Verfügungen ausdrücklich als "vertragsmäßig". Ein Erbvertrag muss mindestens eine vertragsmäßige Verfügung enthalten, weil nur eine solche die dem Erbvertrag eigentümliche erbvertragliche Bindung herbeiführt. Eine letztwillige Verfügung ist aber nicht schon deshalb vertragsmäßig getroffen, weil sie in einem Erbvertrag steht. Es muss deshalb im Wege der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) für jede Verfügung gesondert ermittelt werden, ob sie als vertragsmäßig gewollt und damit bindend anzusehen ist. Bei einer Zuwendung an den Vertragspartner liegt die Annahme einer vertragsmäßigen Verfügung besonders nahe. Desgleichen ist eine Zuwendung an eine mit dem Vertragspartner verwandte oder diesem nahestehende Person in der Regel als bindend und vertragsmäßig gewollt, vor allem, wenn ein Vertragsteil ein Interesse an der Bindung des Erblassers hatte (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl. 2104, § 2278 Rn 2–4 mwN).
2. Hier ergibt die Auslegung, dass nicht nur die gegenseitige Erbeinsetzung der beiden Vertragspartner vertra...