Das Urteil betrifft die Lastenverteilung zwischen Vor- und Nacherben bzw. genauer des Erben des Vorerben und des mit diesem nicht identischen Nacherben (eingehend Reich, ZEV 2013, 188, 189 ff). Trotz der potenziell hohen Praxisrelevanz (BGH, Urt. v. 10.7.1980, IV a ZR 20/80, NJW 1980, 2465, 2466; de Leve, ZEV 2014, 427) existiert hierzu kaum Rechtsprechung.
Auch die Thematik der für die Vorerbschaft anfallenden Erbschaftsteuer als außerordentliche Last – § 20 Abs 4 ErbStG, §§ 2126 S. 2, 2124 Abs. 2 BGB – wurde erstaunlicherweise zivilgerichtlich erst kürzlich vom LG Bonn, Urt. v. 41.2.2012, 10 O 453/10, NJW-RR 2012, 1031 entschieden (davor bereits BFH, Urt. v. 12.5.1970, BStBl II 1972, 462 und RFH, Urt. v. 7.11.1935, RStBl 1935, 1509). Das OLG Frankfurt am Main bestätigt diese Entscheidung nun ausdrücklich, sodass insofern auch eine obergerichtliche Feststellung zum Freistellungsanspruch des Erben des Vorerben gegenüber dem Nacherben vorliegt.
Daneben enthält die Entscheidung die auf den ersten Blick überraschende, im Ergebnis aber absolut zutreffend hergeleitete Klarstellung, dass die vom Erben des Vorerben zu verantwortenden Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten auf die erst nach dem Nacherbfall festgesetzte Erbschaftsteuerschuld des Vorerben dessen Eigenerben zur Last fallen – und gerade nicht unter §§ 2126 S. 2, 2124 Abs. 2 BGB fallen.
Letzteres war – in leicht abgewandelter Form, namentlich hinsichtlich (zukünftiger) Aussetzungszinsen und Säumniszuschläge – zwar auch Gegenstand des Verfahrens vor dem LG Bonn gewesen. Über die entsprechenden Klageanträge hatte das Gericht aber mangels Zulässigkeit der Klage insoweit (§ 259 ZPO) inhaltlich nicht entschieden. Aus der Begründung der Abweisungsentscheidung ließ sich allerdings eine Andeutung herauslesen, dass hinsichtlich entstehender Aussetzungszinsen und Säumniszuschläge grundsätzlich dasselbe gelten müsse, wie für die zugrundeliegende Erbschaftsteuerschuld.
Das ist, wie das OLG Frankfurt am Main nun festgestellt hat, jedenfalls in den Fällen unzutreffend, in denen der Erbe des Vorerben evident ausschließlich im eigenen Interesse und nicht auch im Interesse des Nachlasses gegen den Erbschaftsteuerbescheid vorgeht. Vorliegend hatte die Erbin der Vorerbin sich nämlich vorrangig dagegen gewehrt, dass sie überhaupt als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen worden ist. Ihr Kernargumentation (Vgl. FG Hessen Urt. v 24.7.2014 – 1 K 1735/13, ZEV 2015, 66):
Nur weil es das Finanzamt versäumt habe, rechtzeitig einen Steuerbescheid zu erlassen, habe weder die Vorerbin, noch der für die Dauer der Vorerbschaft amtierende Testamentsvollstrecker, noch die Klägerin die Gelegenheit gehabt, die (voraussichtliche) Erbschaftsteuerschuld zulasten des Nachlasses (§ 20 Abs. 4 ErbStG) zu tilgen. Da nunmehr nur noch die Nacherbin in der Lage sei, die für die Vorerbschaft festgesetzte Steuer aus den Mitteln des Nachlasses zu entrichten, sei der Erbschaftsteuerbescheid alleine an diese zu richten. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH dieser Argumentation folgen wird – die Klägerin hat insofern gegen das Urteil des FG Hessen Revision eingelegt (anhängig unter Az. II R 55/14).
Das OLG Frankfurt am Main hat die Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Anders als im finanzgerichtlichen Verfahren wurde diese jedoch nicht eingelegt, das Urteil ist rechtskräftig.
RA/Mediator Dr. Michael Kühn, Partner RITTERSHAUS Rechtsanwälte PartGmbB, Frankfurt am Main
ZErb 1/2016, S. 025 - 028