Leitsatz
In nach Inkrafttreten der Erbrechtsreform zum 01.01.2010 eingetretenen Erbfällen wirkt ein Zuwendungsverzicht des Verzichtenden dem Grunde nach auch für seine Abkömmlinge. Dies gilt auch dann, wenn der Zuwendungsverzicht vor Eintritt der Erbrechtsreform abgeschlossen wurde.
Finden sich in dem Inhalt des Zuwendungsverzichts Hinweise darauf, dass die Parteien davon ausgegangen sind, dass der Zuwendungsverzicht sich nicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt – beispielsweise aus der notariellen Belehrung – so ergibt die Auslegung des Verzichtsvertrags in der Regel, dass dieses Verständnis der Parteien als Rechtsfolge in die Vereinbarung mit aufgenommen wurde.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. August 2016 – 3 Wx 192/15
Sachverhalt
Die Beteiligten zu 1–3 sind die Kinder des Erblassers, die Beteiligten zu 4 und 5 sind die Kinder des Beteiligten zu 3, also die Enkel des Erblassers.
Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau hatten am 7.5.1991 einen notariellen Erbvertrag geschlossen. Darin hatten sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und zu Erben des Längstlebenden ihre gemeinschaftlichen Kinder – ersatzweise deren Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Teilen – zu je 1/3 Anteil berufen.
Mit Notarvertrag vom 13.10.1995 schenkten die Eheleute dem Beteiligten zu 3 eine Teilfläche von ca. 266 qm aus dem ihnen gehörenden Grundbesitz in Düsseldorf, auf der der Beteiligte zu 3 auf eigene Kosten ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung errichtet hatte. Im Gegenzug erklärte der Beteiligte zu 3 sich für vollständig abgefunden an den künftigen Nachlässen seiner Eltern und verzichtete auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht und auf die Zuwendungen, die ihm im Erbvertrag vom 7. 5.1991 ausgesetzt worden waren. Weiter heißt es in dem Schenkungsvertrag:
"Der amtierende Notar hat darauf hingewiesen, dass dieser Zuwendungsverzicht nicht gilt für die Abkömmlinge von ... (dem Beteiligten zu 3), die im Erbvertrag für ihn als Ersatzerben berufen wurden. Der amtierende Notar empfiehlt deshalb den ... (Eltern des Beteiligten zu 3), den Erbvertrag in der Weise zu ändern, dass ...(der Beteiligte zu 3) nicht mehr zum Miterben nach dem Ableben des Längstlebenden ... berufen ist."
Dies haben die Eltern der Beteiligten zu 1–3 nicht getan.
Die Beteiligte zu 1 hat am 4.8.2014 einen Erbschein für sich und die Beteiligte zu 2 als Miterben zu je ½ beantragt.
Sie hat gemeint, der Zuwendungsverzicht des Beteiligten zu 3 erstrecke sich auch auf dessen Kinder, die Beteiligten zu 4 und 5, nachdem durch die Erbrechtsreform zum 1.1.2010 § 2349 BGB (Erstreckung auf Abkömmlinge) in die Verweisungskette des § 2352 S. 3 BGB (Verzicht auf Zuwendungen) aufgenommen worden sei. Seit dem könne der Zuwendungsverzicht auf ersatzberufene Abkömmlinge erstreckt werden; ob dies geschehen sei, sei im Wege ergänzender Vertragsauslegung festzustellen. Jedenfalls wenn der Verzichtende eine vollwertige Abfindung erhalten habe, sei davon auszugehen, dass die Abfindung ihm als "Repräsentant seines Stammes" gewährt worden sei, so dass auch er mit der Erstreckung auf seine Abkömmlinge einverstanden gewesen wäre, hätte es diese Möglichkeit bei Vertragsschluss bereits gegeben. Hier seien auch die Beteiligten zu 4 und 5 aus der Erbfolge ausgeschieden, weil der Beteiligte zu 3 sich "für vollständig abgefunden" erklärt habe.
Die Beteiligten zu 4 und 5 sind dem entgegengetreten. Die Eltern seien vom Notar belehrt worden, dass der Verzicht sich nicht auf die Abkömmlinge erstrecke. Dennoch hätten sie von der empfohlenen Änderung des Erbvertrages keinen Gebrauch gemacht, eben weil sie gewollt hätten, dass ihre Enkel, die Beteiligten zu 4 und 5, nach dem zuletzt Versterbenden Miterben werden sollten.
Das Nachlassgericht hat nach Beweisaufnahme über den Willen der Eltern den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Erblasser und seine Ehefrau eine Beteiligung ihrer Enkelkinder, der Beteiligten zu 4 und 5, an ihrem Erbe zu gleichen Teilen wie ihre Töchter, die Beteiligten zu 1 und 2, gewollt hätten. Dies werde bestätigt dadurch, dass der Erblasser und seine Ehefrau trotz des notariellen Hinweises zu dem vereinbarten Zuwendungsverzicht ihren Erbvertrag nicht geändert hätten.
(...)
Aus den Gründen
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und auch im übrigen zulässig, §§ 58, 59 FamFG.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Gemäß Art. 229 § 36 EGBGB sind auf Verfahren zur Erteilung von Erbscheinen nach einem Erblasser, der vor dem 17.8.2015 verstorben ist, das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Hiernach finden auf den vorliegenden Fall die Vorschriften des "alten" Rechts Anwendung, da der Erblasser bereits im Jahre 2010 verstorben ist.
(...)
Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zu Recht zurückgewiesen. Denn sie und die Beteiligte zu 2 sind nicht zu je...