Leitsatz
Eine Wechselbezüglichkeit einzelner Verfügungen setzt nicht voraus, dass die Verfügungen in einer Urkunde erfasst sind. Auch Verfügungen, die in mehreren aufeinander folgenden Urkunden getroffen werden, können zueinander wechselbezüglich sein, wenn innerhalb der Urkunden ein Wille zur Verknüpfung der Verfügungen erkennbar ist.
Gegen eine Wechselbezüglichkeit spricht auch nicht entscheidend, dass die letztwilligen Verfügungen mehrere Jahrzehnte auseinanderliegend erstellt wurden. Ein Verknüpfungswille kann sich beispielsweise bereits aus der Bezugnahme innerhalb der späteren letztwilligen Verfügung sowie der gemeinsamen Aufbewahrung ergeben.
OLG Hamm, Urteil vom 12. September 2017 – 10 U 75/16
Sachverhalt
Der Klager ist das einzige Kind seines am ... 19... geborenen und am ... 20... verstorbenen Vaters I2. Die im Jahr 19... geborene Mutter des Klagers und Ehefrau des Erblassers, L I2, ist im Jahr 20... vorverstorben. Mit notarieller Urkunde vom 18.7.19... (UR-Nr..../19... des Notars C2 in F3) errichteten die Eltern des zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alten Klagers ein gemeinschaftliches Testament mit folgendem Inhalt:
I. Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
II. Der Uberlebende von uns kann uber das Ererbte und sein eigenes Vermogen frei testieren. Wenn er keine Verfugungen von Todes wegen trifft, soll Erbe sein unser einziger Sohn X I2. Ersatzerbe unseres Sohnes X, falls er vor oder gleichzeitig mit uns versterben sollte und keine letztwillige Verfugung mehr treffen kann, soll sein: Das Institut fur Krebsforschung an der Universitat in Koln.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Original der Urkunde, Bl 22 f der beigezogenen Akte Amtsgericht T2, 79 IV .../00, Bezug genommen. Am 18.10.2000 ließen die Eltern des mittlerweile als Rechtsanwalt und Notar tatigen Klagers von dessen Sozius, Notar N in H3 (UR-Nr .../2000), auf der Grundlage eines vom Klager erarbeiteten Entwurfs eine weitere letztwillige Verfugung mit folgendem Inhalt beurkunden:
Die Erschienenen erklarten, das am 18.7.1961 errichtete und hinterlegte Testament ... teilweise abandern zu wollen. ... Die Erschienenen erklarten: 1. In Abanderung der Ziffer II. des Testaments vom 18.7.1961 bestimmen wir, dass Erbe des Letztlebenden von uns unser Sohn X I2 ... sein soll. Ersatzerbe unseres Sohnes soll unsere Schwiegertochter I-4 I-2 ... sein. Ersatzerbe unserer Schwiegertochter soll unsere Enkeltochter, N I-2 ... sein. ...
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Original der Urkunde, Bl 43 ff der beigezogenen Akten des Amtsgerichts T2, 79 IV .../00, Bezug genommen.
Nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 2005 lernte der Erblasser die Beklagte kennen. Sie unternahmen unter anderem gemeinsame Reisen, die jeweils vom Erblasser bezahlt wurden. Seit Juni 2010 lebte die Beklagte mit dem Erblasser in dessen Haushalt in der T2 a in H3 zusammen. In der Folgezeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Klager und dem Erblasser. Auf Wunsch des Erblassers vereinbarte der Klager mit der Beklagten im August 2010 die Einraumung eines lebenslangen Wohnrechts an einer in seinem Eigentum stehenden 65 qm großen Wohnung in der T2 b fur die Zeit nach dem Tod des Erblassers unter der Bedingung, dass die Beklagte den Erblasser bis zu seinem Tod oder bis zu einer Heimaufnahme gepflegt hat und auf samtliche Besitzanspruche im Haus T2 a verzichtet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie der Vereinbarung, Bl 175 der Gerichtsakte, Bezug genommen. In der Folgezeit ubertrug der Erblasser der Beklagten verschiedene Vermogensgegenstande (Anspruche aus einer Vertriebsvereinbarung, Beteiligungen an Immobilienfonds, Schuldverschreibungen, Genussrechte und Lebensversicherungen). In einem an den Klager gerichteten Schreiben vom 24.2.2012 (vgl. unstreitiges Zitat Bl 4 der Gerichtsakte) fuhrte der Erblasser hierzu aus:
" ... Unter diesen Umstanden, die mich hart getroffen und hochst unverstandlich gemacht haben, sah ich mich veranlasst, mein noch bestehendes Restvermogen zu entsorgen und einer Vererbung nach meinem Ableben zu entziehen ... "
Nach dem Tod des Erblassers hat der Klager die Beklagte im Wege der Stufenklage zunachst auf Erteilung von Auskunft uber die vom Erblasser erhaltenen Zuwendungen und uber die Abhebung von Barbetragen vom Konto des Erblassers in Anspruch genommen. Hierzu hat er die Ansicht vertreten, die Zuwendungen seien als beeintrachtigende Schenkungen in entsprechender Anwendung des § 2287 Abs.1 BGB ruckabzuwickeln. Der Erblasser habe die Zuwendungen in der Absicht, die mit dem Tod der Mutter bindend gewordene Erbeinsetzung des Klagers zu unterlaufen, vorgenommen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat eine Bindungswirkung bezuglich der Erbeinsetzung des Klagers bestritten und eine Beeintrachtigungsabsicht des Erblassers in Abrede gestellt. Hierzu hat sie behauptet, der Erblasser habe die Zuwendungen aus anerkennenswertem Eigeninteresse, namlich aus Dankbarkeit fur und zur Sicherstellung weiterer intensiver Pflege durch sie getatigt. Sie habe den Erblas...