Leitsatz
1. Die sinngemäße Wiedergabe des Testamentsinhalts genügt nicht für ein wirksames Testament nach § 2250 BGB. Ein zentraler Errichtungsakt beim Nottestament vor drei Zeugen nach § 2250 BGB – ebenso wie bei § 2232 und § 2249 BGB – ist das Genehmigen des zuvor Erklärten nach Verlesen des niedergeschriebenen Textes. Das in § 13 Abs. 1 S. 4 BeurkG erwähnte Vorlegen zur Durchsicht hat, wie aus dem Wortlaut der Bestimmung klar hervorgeht, neben dem Vorlesen nur ergänzenden Charakter und kann daher die unterbliebene Verlesung nicht ersetzen.
2. Der Nachweis einer Testamentserrichtung setzt daher nicht zwingend die Vorlage der Testamentsurkunde voraus. Das Gericht kann die Überzeugung auch durch entsprechende Aussagen von als Zeugen vernommenen Personen gewinnen.
Landgericht Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 12. August 2008 – 7 T 5033/08
Sachverhalt
Der am 10.4.2008 verstorbene Erblasser hat am 20.6.2006 die Beteiligte zu 1 geheiratet. Bereits damals litt der Erblasser an einer schweren Krebserkrankung, aufgrund derer nur eine begrenzte Lebenserwartung bestand. Die Beteiligten zu 2 und zu 3 sind die am 16.4.2007 geborenen Kinder des Erblassers und der Beteiligten zu 1.
Am Samstag, dem 5.4.2008, verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Erblassers, der sich bereits im Krankenhaus (…) befand, in erheblicher Weise; die behandelnden Ärzte gingen davon aus, dass er das Krankenhaus nicht mehr verlassen wird und innerhalb weniger Stunden oder Tage versterben wird. Nachdem der Erblasser und die Beteiligte zu 1 dies erfahren hatten, erstellte die Beteiligte zu 1 mittels PC und Drucker ein mit "Unser gemeinsamer letzter Wille" überschriebenes Schriftstück, das sie dann ins Krankenhaus verbrachte, wo es der Erblasser unterschrieb. Später kamen die diensthabende Ärztin und zwei Krankenschwestern hinzu, die den Inhalt des Schriftstücks zur Kenntnis nahmen. Die Ärztin befragte den Erblasser, ob das Schriftstück, dessen Inhalt sie ihm mit eigenen Worten zusammenfassend wiedergab, aber nicht verlas, seinen Willen zutreffend wiedergab, was jener hörbar bejahte. Die Ärztin und die beiden Schwestern unterschrieben sodann das Testament. Der Erblasser verstarb am darauffolgenden Dienstag (10.4.2008).
Nach Angabe der Beteiligten zu 1 haben sie und der Erblasser ferner bereits am 15.6.2006 jeweils gleich lautende Testamente des Inhalts errichtet, dass sie sich gegenseitig zu ihren Erben einsetzten. Das Testament des Erblassers sei aber nicht mehr auffindbar, weshalb man sich vor dem nahe bevorstehenden Tod entschlossen habe, zur Sicherheit das Nottestament zu errichten.
Das Nachlassgericht hat im angefochtenen Beschluss die Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Alleinerbscheins zu ihren Gunsten abgelehnt. Das Nottestament erfülle die Formvorschriften nicht, da es keine Angaben dazu enthalte, dass der Text verlesen und genehmigt worden ist; Entsprechendes werde auch von der Beteiligten zu 1 nicht näher geschildert. Das frühere Testament könne der Erbfolge nicht zugrunde gelegt werden, da es nicht vorgelegt wurde. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1. (…)
Aus den Gründen
Die Beschwerde hat Erfolg. Die Kammer ist nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Erblasser ein Testament errichtet hat, in dem er die Beteiligte zu eins als Alleinerbin eingesetzt hat.
1. Die Erbfolge richtet sich nicht nach dem Nottestament vom 5.4.2008, da dieses den Formerfordernissen des § 2250 Abs. 3 BGB iVm § 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG nicht genügt.
a) Nach den genannten Bestimmungen ist erforderlich, dass in Gegenwart der drei bei der Testamentserrichtung anwesenden Zeugen das Erklärte vorgelesen wird und der Erblasser (bzw. im Falle des § 2266 BGB: die Existierenden) das Niedergeschriebene anschließend genehmigt. Der Vermerk, dass beides geschehen ist, ist gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 und 3 BeurkG nicht essenziell, sofern nur feststeht, dass das Verlesen und die Genehmigung erfolgte.
Nach der Beweisaufnahme über den Hergang der Testamentserrichtung, die trotz näheren Vortrags der Beteiligten zu 1 von Amts wegen durchzuführen war (§ 2358 BGB, § 12 FGG) steht für das Gericht fest, dass der Text des Testaments nicht vorgelesen worden ist.
b) Die diensthabende Ärztin, die den Errichtungsvorgang "geleitet" und die Genehmigung des Erblassers erfragt hat, hat klar und entschieden bekundet, dass sie den Inhalt des Geschriebenen nur mündlich mit ihren Worten wiedergegeben hat, um die mündliche Genehmigung des Erblassers einzuholen. Die Krankenschwester (…) hat ebenfalls angegeben, dass das Testament nicht vorgelesen wurde; die Schwester konnte positiv nur die sinngemäße Wiedergabe bestätigen. Auch wenn die Beteiligte zu 1 meint, sich an ein Vorlesen erinnern zu können, muss daher davon ausgegangen werden, dass dieses unterblieb, zumal die Beteiligte zu 1 in der für sie emotionsgeladenen Situation auf derartige Details nicht geachtet haben dürfte und auch keine Möglichkeit hatte, zu prüfen, ob es sich um ein Vorlesen oder nur um eine inhaltliche Wiedergabe handelte.
Die sinngem...