Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Herabsetzung der durch die Bescheide vom (...) 1995 festgesetzten Schenkungsteuer (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Das FA hat eine Anrechnung der tessinischen Schenkungsteuer zu Unrecht abgelehnt.
1. Bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer – ausländische Steuer – herangezogen werden, ist in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sofern nicht die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Wenn der Erblasser zurzeit seines Todes kein Inländer war, gelten als Auslandsvermögen iSd § 21 Abs. 1 ErbStG alle Vermögensgegenstände mit Ausnahme des Inlandsvermögens iSd § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG) sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG). Nach § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG ist die ausländische Steuer nur anrechenbar, wenn die deutsche Erbschaftsteuer für das Auslandsvermögen innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen Erbschaftsteuer entstanden ist.
Im Streitfall liegen die sich aus § 21 ErbStG ergebenden materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine Anrechnung der tessinischen Schenkungsteuer vor. Durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern vom 30. November 1978 (DBA-Schweiz) werden Schenkungsteuerfälle nicht erfasst (vgl. auch Kapp/Ebeling, ErbStG, § 21, Rn 41). In der Schweiz werden Erbschaftsteuern und Schenkungsteuern nicht vom Bund, sondern von den Kantonen in unterschiedlicher Ausgestaltung erhoben (vgl. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 21, Rn 126). Die Schenkungsteuer (imposta di donazione) wurde mit Bescheid der zuständigen Kantonalbehörde vom (...) 2002 festgesetzt, und ausweislich einer Belastungsanzeige der G-Bank wurde der Gesamtbetrag von (...) SFr. gezahlt. Da Frau A zum Zeitpunkt der Zuwendungen ihren Wohnsitz in der Schweiz hatte, war sie nicht Inländerin iSd § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG. Im Übrigen ist die deutsche Schenkungsteuer innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der tessinischen Schenkungsteuer entstanden. Während nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bei Schenkungen unter Lebenden die Steuer mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung entsteht, kommt es für die tessinische Schenkungsteuer auf den Zeitpunkt an, zu dem die Schenkung vereinbart oder versprochen wurde (...).
2. Verfahrensrechtlich sind die in Bestandskraft erwachsenen Schenkungsteuerfestsetzungen unter Anrechnung der mit Bescheid vom (...) 2002 festgesetzten tessinischen Schenkungsteuer gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Hiernach ist ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Die Festsetzungsfrist beginnt in diesem Fall erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AO).
Aus dem Bedeutungszusammenhang, in dem § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO steht, und aus seiner Zielsetzung ergibt sich zunächst, dass der Begriff "Ereignis" alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge umfasst. Dazu rechnen nicht nur solche mit ausschließlich rechtlichem Bezug, sondern auch tatsächliche Lebensvorgänge (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897). Ferner verdeutlichen die sprachliche Bedeutung des Begriffs "eintritt" und der Bedeutungszusammenhang mit § 173 Abs. 1 AO, dass sich der Vorgang ereignen muss, nachdem der Steueranspruch entstanden ist, und bei Änderung eines Steuerbescheids, nachdem dieser Steuerbescheid ergangen ist. Die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegen dagegen nicht vor, wenn das FA – wie im Fall des § 173 Abs. 1 AO – lediglich nachträglich Kenntnis von einem bereits gegebenen Sachverhalt erlangt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteil vom 21. April 1988 IV R 215/85, BFHE 153, 485, BStBl II 1988, 863) oder wenn das FA den Sachverhalt lediglich anders würdigt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteil vom 3. August 1988 I R 115/84, BFH/NV 1989, 482).
Es reicht nicht aus, dass das spätere Ereignis den nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalt anders gestaltet. Die Änderung muss sich darüber hinaus – ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen – steuerlich in der Vergangenheit auswirken, und zwar in der Weise, dass nunmehr der veränderte anstelle de...