Prof. Dr. Hey hinterfragte, warum Gewinne eines Steuerpflichtigen der sofortigen Besteuerung unterlägen, während Verluste zeitlich in Höhe von 40 % gestreckt würden. Zum einen habe sie den Eindruck, dass die Höhe der begrenzten Verlustvortragsmöglichkeit willkürlich festgelegt werde, zum anderen fehle es ihr aus verfassungsrechtlicher Sicht an Rechtfertigungsgründen zur Einschränkung des Nettoprinzips. Weiter frage sie sich, wie es unter Berücksichtigung der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung sein könne, dass die Verwaltung die verschiedenen Finalitätsbegriffe im Rahmen der Verlustverrechnung konkretisiere, nur weil der Gesetzgeber hier nicht die Initiative ergreife.
Auch nach Ansicht von Herrn Rennings sollte die Frage der Finalität von Verlusten gesetzgeberisch geregelt werden sollte. Die Konturen für die Finalität eines Verlustes seien derzeit aber so ungenau, dass eine Regelung unter Umständen viele Gerichtsverfahren zur Folge hätte. Da es nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich sei, ein oberstes Bundesgericht zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zu zwingen, um auf diese Weise konkretere Eckwerte zu erhalten, bleibe dem Gesetzgeber derzeit nichts weiter übrig, als selbst tätig zu werden.
Prof. Dr. Hundsdoerfer empfand die Diskussion um den Vorschlag von Herrn Rennings zur zeitlichen Begrenzung des Verlustvortrags als zu dogmatisch. Aus ökonomischer Sicht sei es nicht von großer Bedeutung, ob ein Verlustvortrag auf 20 Jahre begrenzt oder für unbegrenzt zulässig erklärt werde. Schließlich verbleibe einem Unternehmen, das aus heutiger Sicht einen Verlust erleide und diesen erst in 20 Jahren steuerlich geltend machen könne, von diesem Verlustvortrag unter Berücksichtigung von Abzinsungseffekten kaum etwas. Außerdem sei bei Unternehmen, die einen Verlustvortrag innerhalb von 10 Jahren noch nicht haben verrechnen können, die Wahrscheinlichkeit einer Verlustverrechnung innerhalb der nächsten 10 Jahre eher gering.
Nach Dr. Dorenkamp stelle eine Verlustvortragsmöglichkeit von 20 Jahren natürlich eine geringere Beschränkung dar als eine kürzere zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags. Richtig sei auch, dass die Wahrscheinlichkeit der Geltendmachung abnehme, wenn ein Unternehmen seine Verluste bereits 10 Jahre vortrage. Nicht einleuchtend sei jedoch, dass das Unternehmen dafür steuerlich bestraft werden solle, Verluste im elften Jahr steuerlich nicht mehr geltend machen zu können.
Prof. Dr. Desens empfand die Diskussion nicht als zu dogmatisch, sondern als teilweise zu ökonomisch. Er könne zwar die von Prof. Dr. Hundsdoerfer dargestellten betriebswirtschaftlichen Überlegungen nachvollziehen. Im Verfassungsrecht würden diese ökonomischen Neutralitätspostulate allerdings nicht nachvollzogen.
Herr Welling betonte, dass im europäischen Binnenmarkt nur vier vergleichbare Länder existierten, die eine betragsmäßige Begrenzung von Verlustvorträgen bei Kapitalgesellschaften vorsähen. Neben Deutschland seien dies Italien, Polen und Österreich. In den meisten übrigen europäischen Staaten, die Herr Rennings angesprochen habe, sei eine zeitliche Begrenzung der Verlustvorträge nur bei natürlichen Personen vorgesehen. Den internationalen Vergleich zur Begründung einer zeitlichen Begrenzung der Vortragsfähigkeit von Verlusten in Deutschland heranzuziehen, könne unter diesen Aspekten nicht überzeugen.