Auf einen Blick

Die neuerdings von Teilen der deutschen Finanzverwaltung und eines erstinstanzlichen Gerichts im Rahmen eines obiter dictums vertretene Ansicht, dass satzungsgemässe Leistungen von Stiftungen aus Liechtenstein oder Österreich an in Deutschland ansässige Begünstigte nicht nur der Einkommensteuer, sondern unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 2. Ts ErbStG auch zusätzlich der Schenkungsteuer unterworfen werden müssten, ist aus (mindestens) fünf Gründen abwegig.

Eine Auslandsstiftung ist bei korrekter systematischer und historischer Auslegung von § 7 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit einem mehrfach seitens des BFH bestätigten Rechtstypenvergleichs eine "Stiftung" im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 ErbStG und keine "ausländische Vermögensmasse" im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG.
Der Zuwendungsempfänger einer Stiftungsleistung ist bei korrekter systematischer und historischer Auslegung von § 7 Abs. 1 ErbStG ein Begünstigter einer Stiftung und kein "Zwischenberechtigter" im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG.
Die Belastung einer Leistung einer Auslandlandstiftung mit Schenkungsteuer ist aufgrund eines Verstosses gegen die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bzw. gleichlautend im EWR-Abkommen garantierte Kapitalverkehrsfreiheit europarechtswidrig und hat zu unterbleiben, da eine vergleichbare Leistung einer deutschen Familienstiftung nicht der Schenkungsteuer unterworfen wird.
Eine Belastung einer Leistung einer Auslandlandstiftung mit Schenkungsteuer verstieße aus dem gleichen Grund gegen den völkerrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen, insbesondere gegen das neue DBA Deutschland-Liechtenstein, das deutlich später in Kraft trat, als die im vorliegenden Kontext inkriminierte Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG.
Die Argumentation der Finanzverwaltung ist widersprüchlich, da sie – wenn man sie denn beachtete – zu einer nicht begründbaren uneinheitlichen Besteuerung der gleichen Sachverhalte in der Vergangenheit (keine Anwendung von § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 2. Ts. ErbStG bei Auslandsstiftungen, z. B. im Nachdeklarationskontext) einerseits und in der Zukunft andererseits führen würde.

Selbst wenn die Erhebung der Schenkungsteuer – entgegen den fünf oben genannten Gründen – rechtlich möglich wäre, ist nach neuerer BFH-Rechtsprechung eine Doppelbesteuerung des gleichen wirtschaftlichen Sachverhaltes mit Einkommensteuer und Schenkungsteuer unzulässig.

Autor: Von Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. Olaf Gierhake, LL.M. (International Taxation), LL.M. (Gesellschafts-, Stiftungs- und Trustrecht) Dipl.-Wirtschaftsingenieur, Dipl.-Betriebswirt (BA), Institut für Vermögensschutz AG, Rapperswil, Schweiz, Lehrbeauftragter an der Universität Liechtenstein

ZErb 12/2015, S. 366 - 373

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