1. Einführung: Für alle Erbfälle mit Auslandsberührung, bei denen der Erblasser am 17.8.2015 oder danach verstorben ist, kommt die Europäische Erbrechtsverordnung zur Anwendung (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO). Über deren Auslegung entscheidet in letzter Instanz der EuGH. Es war allgemein erwartet worden, dass es einige Jahre dauern wird, bis eine erste Entscheidung des EuGH zur Europäischen Erbrechtsverordnung vorliegen wird. Nunmehr ging es aber überraschend schnell. Mit Urteil vom 12.10.2017 hat der EuGH in der Rechtssache Kubicka entschieden, dass die dingliche Wirkung eines Vindikationslegats nach ausländischem (hier: polnischem) Erbrecht auch eine in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) belegene Immobilie erfasst. Der EuGH hat sich für einen Vorrang des Erbstatuts vor dem Sachenrechtsstatut ausgesprochen. Damit wurde eine der zentralen Streitfragen der Europäischen Erbrechtsverordnung frühzeitig geklärt.
Der EuGH wird schon bald erneut über die Auslegung der Europäischen Erbrechtsverordnung entscheiden müssen. Allein von deutschen Gerichten sind (soweit ersichtlich) derzeit zwei weitere Vorlagefragen beim EuGH anhängig.
In der Rechtssache Mahnkopf (Rs. C-558/18) geht es um die vor allem in Deutschland umstrittene Frage nach der erbrechtlichen Qualifikation des pauschalen Zugewinnausgleichs (nach § 1371 BGB) unter der Europäischen Erbrechtsverordnung und der Aufnahme im Europäischen Nachlasszeugnis (siehe KG Berlin, Beschl. v. 25.10.2016, 6 W 80/16, ZEV 2017, 209 mit Anm. Dörner und mit Anm. Margonski = ErbR 2016, 707 = FamRZ 2017, 64).
In der Rechtssache Oberle (Rs. C-20/17) stellt sich die Frage, ob die Vorschriften der Europäischen Erbrechtsverordnung zur Zuständigkeit (Art. 4 ff EuErbVO) nur für das Europäische Nachlasszeugnis gelten oder auch für nationale Erbscheine nach deutschem Erbrecht (siehe §§ 105, 343 ff FamFG; KG Berlin, Beschl. v. 10.1.2017, 6 W 125/16, FamRZ 2017, 564 mit Anm. Mankowski = ZEV 2017, 213 mit Anm. Leipold, ausführlich dazu Dörner, DNotZ 2017, 407; Lamberz, Rpfleger 2017, 376). Das OLG Hamburg hat diese Frage (allerdings ohne eine Entscheidung des EuGH einzuholen und ohne eine überzeugende Begründung) bereits dahin entschieden, dass die europäischen Zuständigkeitsregelungen auch für die internationale Zuständigkeit der deut- schen Gerichte im nationalen Erbscheinverfahren maßgebend seien.
Zwischenzeitlich liegen auch schon mehrere Entscheidungen deutscher Gerichte zu verschiedenen Einzelfragen der Europäischen Erbrechtsverordnung vor.
Das KG Berlin hat im Fall eines Grenzpendlers zwischen Deutschland und Polen zu dem zentralen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers (siehe Art. 4 und 21 EuErbVO) Stellung genommen (KG Berlin, Beschl. v. 26.4.2016, 1 AR 8/16, IPrax 2016, 1203 mit Anm. Mankowski = ZEV 2016, 514 mit Anm. Lehmann = Rpfleger 2016, 654).
In Entscheidungen mehrerer Oberlandesgerichte ging es vor allem um den Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses (Art. 62 ff EuErbVO). Nach Auffassung des OLG Nürnberg können einzelne Nachlassgegenstände (hier: Grundstück in Tschechien) nicht in das Europäische Nachlasszeugnis aufgenommen werden; auch eine bloße Aufnahme zu Informationszwecken sei nicht möglich (OLG Nürnberg, Beschl. v. 5.4.2017, 15 W 299/17, Rpfleger 2017, 545 = ZEV 2017, 579 mit Anm. Weinbeck). In gleicher Weise hat das OLG München die Aufnahme eines in Österreich belegenen Grundstücks in ein Europäisches Nachlasszeugnis abgelehnt (OLG München, Beschl. v. 12.9.2017, 31 Wx 275/17, ZEV 2017, 580).
Eine weitere Entscheidung des OLG Nürnberg betraf formal gleichfalls den Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses, inhaltlich aber mehr den sachlichen Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung an der Schnittstelle zwischen Erbrecht und Grundstücksrecht. Nach österreichischem Wohnungseigentumsrecht kann es (anders als nach deutschem Recht, siehe §§ 1 ff WEG) im Erbfall u. a. bei Ehegatten zu einer Art Anwachsungserwerb (außerhalb des Erbrechts) kommen (siehe § 14 öWEG). Das OLG Nürnberg war der Auffassung, dass dieser Anwachsungserwerb nicht unter die Europäische Erbrechtsverordnung fällt und daher auch nicht in ein Europäisches Nachlasszeugnis aufgenommen werden kann (OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.4.2017, 15 W 318/17, Rpfleger 2017, 545).
Zunächst aber gilt es, die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kubicka (Rs. C-218/16) und ihre Auswirkungen auf die Praxis näher zu untersuchen.
2. Sachverhalt: Der Entscheidung des EuGH lag ein deutsch-polnischer Erbfall zugrunde. Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass der Erbfall noch gar nicht eingetreten war. Vielmehr ging es um Fragen der zulässigen Testamentsgestaltung zu Lebzeiten des Erblassers.
Im November 2015 wollte Frau Aleksandra Kubicka bei einem Notar in Polen ein öffentliches Testament errichten. Frau Kubicka ist polnische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz in Frankfurt an der Oder, Deutschland. Frau Kubicka ist gemeinsam mit ihrem Ehemann (einem deutschen Staatsangehörigen) hälftige Mi...